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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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war
die Bevölkerung damals gewesen, als Garibaldi die verhassten
Bourbonen vertrieben hatte und sie Bürger eines vereinigten
Italien wurden! Freiheit! Selbstverwaltung! Steuersenkung! Doch
seit Süditalien von Turin aus verwaltet wurde, waren die
Steuern ständig gestiegen und wurden mit äußerster
Brutalität eingetrieben. Kein Wunder, dass sich der Süden
in offenem Aufruhr befand. Eigentlich, dachte Tron, sollte nach
diesen Erfahrungen kein vernünftiger Venezianer den Wunsch
haben, unter die Knute Turins zu kommen. Manchmal fragte er sich,
ob alle Welt verrückt geworden
war.   
    Der Mann am Nebentisch
zum Beispiel. Er hatte eine fliehende Stirn und blies mit
dicklichen Lippen auf seinen dampfenden brodo di pesce, den der Kellner gerade
serviert hatte — eine mit Safran gewürzte Fischsuppe,
die nur dann schmeckte, wenn sie kochend heiß auf den Tisch
kam. Am Revers des Mannes steckte ein Schleifchen mit der
Trikolore. Es war nicht besonders groß, aber trotzdem gut zu
erkennen: rot, weiß, grün. Die Farben der italienischen
Einheit. Tron musste an den Artikel denken, den er gelesen hatte
— die
Hälfte davon Frauen und Kinder —, und spürte, wie sich
sein Puls beschleunigte.
    Er sprang auf und
trat, ohne genau zu wissen, was er gleich tun würde, vor den
Tisch des Mannes. Als er gerade die Polizeimarke aus der Tasche
seines Gehrocks zog, berührte jemand seine Schulter.
«Commissario?»
    Tron fuhr auf dem
Absatz herum - und erblickte Bossi, der vorschriftsmäßig
salutierte. Tron verdrehte die Augen und seufzte. «Was gibt
es, Ispettore?»
    «Wir haben die
Wasserleiche identifiziert», sagte Bossi knapp.
    Wie bitte? Tron hatte
Schwierigkeiten, seine Gedanken von dem fliehstirnigen
Suppenlöffler auf die Frauenleiche an den Fondamenta degli
Incurabili zu lenken. Die Hälfte von ihnen Frauen
und Kinder. Im Grunde, dachte Tron, war der
Mörder, den sie suchten, harmlos. Ein ganz kleiner Fisch. Die
wirklich gefährlichen Killer trugen Uniform. Und kriegten Orden
für ihre Verbrechen.
    Er räusperte
sich. «Was ist passiert?»
    «Der Gondoliere
und die Zofe der Frau waren auf der Questura, um eine
Vermisstenanzeige aufzugeben», sagte Bossi leise.
    «Jetzt
erst?»
    «Sie haben sich
gescheut, zur Polizei zu gehen.»
    «Warum?»
    Bossi lächelte
schief. «Livia Azalina — das ist der Name der Frau
— war eine mammola.»
    «Eine mammola mit Gondoliere und
Zofe?»
    Bossi nickte.
«Mit Kundschaft ausschließlich aus gehobenen Kreisen.
Sie hat vom Bahnhof in Verona aus ein Telegramm mit ihrer
Ankunftszeit in Venedig geschickt. Nur dass sie nie dort
ankam.»
    «Wann war
das?»
    «Am Sonntag vor
einer Woche. Sie hat den Nachtzug genommen. Und am
Donnerstag», fuhr Bossi fort, «ist die Leiche an den
Zattere gefunden worden. Dr. Lionardo hat geschätzt, dass die
Tote drei bis vier Tage im Wasser getrieben hat. Es passt also
alles zusammen.»
    «Ist das der
einzige Grund, aus dem Sie glauben, dass es sich bei Signorina
Azalina um die Frau von den Zattere handelt?»
    Bossi schüttelte
den Kopf. «Ich habe der Zofe und dem Gondoliere das Armband
gezeigt, und sie haben es sofort wiedererkannt.»
    «Also hat die
Signorina den Zug in Verona bestiegen und ist nie in Venedig
angekommen, weil sie ...»Tron hielt inne, weil ihn das
Schlürfgeräusch hinter ihm irritierte.
    «In ihrem Coupe
ermordet wurde», ergänzte Bossi den Satz.
    Tron nickte.
«Und der Mörder hat ihre Leiche in die Lagune geworfen,
weil er in Venedig nicht aus einem Abteil steigen wollte, in dem
man vielleicht ein paar Minuten später eine Tote gefunden
hätte.» Er sah Bossi an. «Was bedeutet, dass der
Mann, der den Mord auf der Gondel und den Mord in der Pensione
Seguso verübt hat — wenn es denn ein und derselbe ist -,
am vorletzten Sonntag den Nachtzug von Verona nach Venedig benutzt
hat.»
    «Und da
wäre noch etwas», sagte Bossi.
    «Was?»
    «Auf der Wache
an der Piazza wartet ein Signore, der Sie sprechen
möchte», sagte Bossi. «Er weiß etwas
über den Mord in der Pensione Seguso.» 
    «Hat er Ihnen
etwas Genaueres mitgeteilt?»
    Bossi schüttelte
den Kopf. «Er möchte persönlich mit Ihnen reden. Er
sagt, er kennt Sie. Ein Signor Muratti.»
    Tron überlegte
kurz. «Ein kleiner Dicker?»
    «Klein, dick und
schmierig», bestätigte Bossi.
    «Muratti
betreibt ein Hotel in der Nähe vom Rialto», sagte Tron.
Er warf, im Begriff zu gehen, noch einen Blick über die
Schulter. Der Mann mit der fliehenden Stirn und der Trikolore am
Revers

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