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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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politische Diskussion? Die konnte er haben. Tron
hatte die konfiszierte Times noch bei sich. Er würde Bossi
auf den Artikel hinweisen. «Weil das Anliegen, das in dieser
Trikolore zum Ausdruck kommt, berechtigt ist?»
    Doch Bossi
schüttelte den Kopf. «So habe ich das nicht gemeint,
Commissario.»     
    «Und wie haben Sie es gemeint,
Bossi?»
    «Weil das
Grün kein Grün, sondern ein Blau war.»
    Tron blieb abrupt
stehen. «Wie bitte?»
    «Rot,
weiß, blau», sagte Bossi.
«Die Farben des französischen Kaiserreichs. Das blaue
Bändchen ist von den beiden anderen verdeckt worden. Sie haben
in Wahrheit nur zwei Bändchen gesehen und auf das dritte
geschlossen.»
    «Wir
schließen immer von dem, was wir sehen», sagte Tron
pedantisch, «auf das, was wir nicht sehen. Das ist bei
Ermittlungen so.»
    «Nur, dass Sie
in diesem Fall danebengelegen haben.» Bossi lächelte
nachsichtig. «Ich kenne den Mann. Wahrscheinlich hätte
ich es Ihnen schon im Florian sagen sollen, aber es ging alles so
schnell.»
    Tron runzelte die
Stirn. «Und wer ist es?»
    «Der neue
französische Konsul, Monsieur Blanche», sagte Bossi.
«Er hatte vor ein paar Tagen ein Problem mit einem
Taschendieb.» Bossi warf einen besorgten Blick auf Tron.
«Vermutlich hält er Sie jetzt für einen
Verrückten.»
    Darüber musste
Tron heftig lachen. Als ihm Bossi die Tür zum Wachlokal
aufhielt, sah der Ispettore ihn an, als wäre er
tatsächlich verrückt geworden.
    *
    Signor Muratti war so
klein und dick, wie Tron ihn in Erinnerung hatte. Er trug einen
gutgeschnittenen dunkelbraunen Gehrock, sein rabenschwarzes Haar
war glatt nach hinten gekämmt, der Schnurrbart akkurat
gestutzt. Das Auffälligste an seiner Erscheinung waren die
Augen. Sie waren dunkel, glutvoll, fast schwarz — wie die
eines in die Jahre gekommenen Violin-Zigeuners. Tron schätzte
ihn auf Anfang vierzig. Muratti hatte im Hinterzimmer der Wache
gewartet, und als Tron und Bossi den Raum betraten, erhob er sich.
Die Petroleumlampe, die von der Decke hing, warf einen scharfen
Schatten und ließ ihn noch gedrungener aussehen als
sonst.   
    «Signor
Muratti?»
    «Sie erinnern
sich an mich?» Muratti schien erfreut zu sein. Er hatte das
servile Gehabe eines Mannes, dessen Ge s chäfte sich am Rand der
Illegalität bewegen. Er schüttelte Tron und Bossi die
Hand. Dann setzte er sich wieder.
    Tron lächelte.
«Was kann ich für Sie tun, Signore?»
    Signor Muratti
räusperte sich nervös. «Vielleicht kann ich etwas
für Sie tun. Es geht um den Artikel in
der Gazzetta. Über den
Zwischenfall in der Gondel. Ist der Mann bereits
...»
    Tron schüttelte
den Kopf. «Wir arbeiten daran.»
    «Nun, dann
...»
    «Ja?»
    Signor Muratti
seufzte. «Ich bin es eigentlich gewohnt, meinen Gästen
gegenüber Diskretion walten zu lassen.»
    Tron nickte
verständnisvoll. «Natürlich.»
    «Aber in diesem
Fall ...» Muratti brach den Satz ab. Sein Gesicht zog sich in
kummervolle Falten.
    Tron beugte sich nach
vorne. «Ja?»
    «Hielt ich es
für notwendig, Sie aufzusuchen», beendete Signor Muratti
den Satz. Dann schwieg er wieder. Offenbar gehörte er zu den
Leuten, denen man jedes Wort aus der Nase ziehen musste.
    «In welchem
Fall?», erkundigte sich Tron geduldig.
    «Der Mann ist
vorgestern eingezogen und hatte keine Papiere», sagte Signor
Muratti. «Ich vermute, dass es sich um einen
Österreicher handelt, jedenfalls hatte er einen deutschen
Akzent. Als das Mädchen sein Zimmer machen wollte, war er
gerade dabei, seine Manschetten zu säubern.» Signor
Muratti hielt inne und sah Tron bedeutungsvoll an. «Sie
sagte, es hätte wie Blutflecken ausgesehen.» Er lehnte
sich erschöpft zurück - so als hätte er selbst
versucht, die Manschetten zu reinigen. «Nachdem der Mann das
Haus verlassen hatte, habe ich mich ein wenig in seinem Zimmer
umgesehen.»
    «Und?»
    «Das
Mädchen hatte recht», sagte Signor Muratti. «Im
Koffer des Mannes befand sich ein Hemd mit Blutflecken auf den
Manschetten.»
    Also hatte Signor
Muratti das Gepäck des Mannes durchsucht. Juristisch
betrachtet handelte es sich um Einbruch. Dass er seelenruhig davon
erzählte, fand Tron bemerkenswert.
    «Und es sah so
aus», fuhr Signor Muratti fort, «als hätte der
Mann versucht, die Flecken zu entfernen.»
    «Vielleicht hat
es sich um Rotwein gehandelt?», wandte Tron ein.
    Signor Muratti
schüttelte lächelnd den Kopf. «Glauben Sie mir, ich
kann Blutflecke von Rotweinflecken unterscheiden.» Dann
fügte er nach einer kleinen Pause

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