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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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hinzu: «Außerdem
war da noch dieser andere Koffer.»
    «Was für
ein Koffer?»
    «Ein kleiner
flacher Koffer mit einer Sammlung von scharfen Messern»,
sagte Signor Muratti. «Die Gazzetta hat geschrieben, der
Mörder hätte der Frau die Leber
entfernt.»
    Bossi mischte sich
ein. «Wissen Sie, wie lange der Mann in Venedig bleiben
wird?»
    «Der Signore hat
mich gebeten, ihm für zwei Uhr eine Gondel zu bestellen, die
ihn zum Bahnhof bringen soll», erwiderte Signor
Muratti.
    Ein Blick auf die Uhr
an der Wand sagte Tron, dass es zwanzig Minuten vor zwei war. Er
drehte den Kopf zu Bossi und Bossi seinen zu ihm. Dann nickten sie
beide fast gleichzeitig. Und sprangen auf.
    *
    Ignaz Zuckerkandl,
seinen Musterkoffer unter dem Arm, stieg am Fuß der
Rialtobrücke aus der Gondel. Er bezahlte den Gondoliere, der
ihn vom Ognissanti hierher gebracht hatte, und fugte ein
großzügiges Trinkgeld hinzu. Er fühlte sich leicht,
fast heiter, so als wäre eine große Last von seinen
Schultern gefallen. Auch der Regen, der vor ein paar Minuten
eingesetzt hatte, konnte ihm die gute Stimmung nicht
verderben. 
    Merkwürdig,
dachte er, dass die kindischen Wahnvorstellungen, die ihm
während der letzten beiden Tage das Leben zur Hölle
gemacht hatten, mit einem Schlag verschwunden waren. Hatte der
lukrative Auftrag, den er im Ognissanti unterschrieben hatte,
diesen Gemütsumschwung bewirkt? Er wusste es nicht. Er wusste
nur, dass er in den letzten beiden Tagen unter einer regelrechten
Panik gelitten hatte. Wahrscheinlich, überlegte er, hatte es
an der schweren Nervenbelastung durch die Sache gelegen. Doch jetzt
bedauerte er es fast, dass er sich dazu entschieden hatte, Venedig
früher als geplant zu verlassen. Nein, es war niemand hinter
ihm her. Schon der Gedanke daran war albern. Warfen die beiden
uniformierten Polizisten, die ihm auf dem Campo Bartolomeo
entgegenkamen, etwa einen misstrauischen Blick auf ihn?
Natürlich nicht. Warum sollten sie auch?
    *
    Zwei Minuten
später hatte er die Pensione della Fava erreicht. Da die
Rechnung bereits beglichen war, ging es nur noch darum, das
Gepäck in die Rezeption zu schaffen und auf den Gondoliere zu
warten, der ihn zum Bahnhof bringen würde. Als sein Koffer
schließlich verladen war, verabschiedete ihn der Hausdiener
mit einem verständnisvollen Augenzwinkern von Mann zu Mann
— so als hätte er es hier in Venedig exzessiv getrieben.
    Eigentlich hatte er
erwartet, dass sie vom Rio Fontego in den Canalazzo einbiegen
würden, was ihm die Gelegenheit geboten hätte, einen
letzten Blick auf den Ponte Rialto zu werfen. Doch der Gondoliere
schien einen anderen Weg zum Bahnhof eingeschlagen zu
haben, vielleicht eine Abkürzung. Sie wechselten von einem
kleinen rio in den anderen, wichen hin und
wieder einer entgegenkommenden Gondel oder einem sandalo aus, passierten
regnerisch verschleierte Wassertore, und er genoss das weiche
Gleiten durch das Wasser.
    Mein Gott! Was
für ein Abenteuer! Und wie wacker er es bestanden hatte!
Befriedigt registrierte er, wie das grausige Geschehen der letzten
beiden Tage bereits verblasste, sich in eine skurrile Episode
verwandelte, wie man sie zu später Stunde seinen Freunden
erzählte.
    Er schloss die Augen
und lauschte auf das Geräusch, mit dem die Regentropfen auf
das Dach des felze prasselten, und der Piccolo im
Regina e Gran Canal fiel ihm wieder ein. Er musste an die kurze
Berührung ihrer Hände denken. Und an den langen Blick,
den ihm der Piccolo anschließend zugeworfen hatte. Warum gabst du mir
die tiefen Blicke? Ach, vergangen und verweht! Er
stieß einen tiefen Seufzer aus und lehnte sich in sein
Polster zurück. Plötzlich verspürte er den
unsinnigen Wunsch, irgendetwas möge eintreten, das ihn daran
hinderte, die Stadt zu verlassen. Eine plötzlicher
Kriegsausbruch, eine unerwartet über die Stadt verhängte
Quarantäne oder der Brand des Bahnhofs.
    Doch als der Bug der
Gondel die Stufen berührte, die vom Wasser zum
Bahnhofsvorplatz hinaufführten, schien alles zu sein wie
immer. Nur das Bahnhofsgebäude sah ein wenig anders aus, den
Vorplatz hätte er nicht wiedererkannt: Er war kaum belebt, und
neben dem Haupteingang, den er größer in Erinnerung
hatte, stand ein uniformierter Polizist Wache. Merkwürdig
auch, dachte er, dass ihm bei seiner Ankunft nicht aufgefallen war,
wie sehr die Uniformen der Gepäckträger denjenigen der
venezianischen Polizei ähnelten.
    Zwei von ihnen, in
ihrer Mitte ein Zivilist, eilten bereits dienstfertig auf

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