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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Erklärung braucht
erheblich mehr Annahmen.»
    Tron lehnte sich,
befriedigt darüber, dass er das Wort ptolemäisch korrekt ausgesprochen
hatte und die Augen der Principessa jetzt anerkennend auf ihm ruhten, in seinem
Stuhl zurück. Jetzt hatte er es dem Pomadekopf
gegeben.
    «Im
Übrigen», fuhr er, immer noch lächelnd, fort,
«beschreiben Sie genau das, was wir tun. Die einfachste
Erklärung dafür, dass jemand seine Opfer aufschlitzt und
sie bei lebendigem Leibe ausweidet, ist die, dass der Mann
verrückt ist.»

26
    Sie war niedlich,
höchstens zwanzig und blond. Offenbar hatte sie ihn kommen
sehen und war aus der Dunkelheit der Arkaden des Palazzo Ducale in
den Schein der Gaslaterne getreten. Das Messer steckte in seiner
Tasche. Er trug es jetzt immer bei sich.
    Eigentlich wollte er
nur kurz vor die Tür treten, doch stattdessen hatte er sich
eine halbe Stunde später auf der Piazza wiedergefunden. Jetzt,
kurz nach Mitternacht, war der Markusplatz beinahe menschenleer.
Vor dem Café Quadri stand eine Gruppe kaiserlicher Offiziere,
eine andere Offiziersgruppe hatte sich vor dem Café Oriental
versammelt. Von den zahllosen fliegenden Händlern war
lediglich ein Maronenverkäufer vor der Porta della Carta
übrig geblieben. Ein paar Maskierte passierten den Campanile,
und ihre Blendlaternen warfen einen flackernden Lichtschein auf die
Mauer des Glockenturms. Wie eine Theaterkulisse, dachte er. Wieder
überkam ihn das Gefühl, in dieser Stadt am rechten Ort zu
sein. Hier schien alles gestattet zu sein, und am Ende fügte
sich alles.
    Als er auf die Frau
zutrat, konnte er schon von weitem ihr Lavendelparfum riechen. Es
verband sich in der feuchten Luft mit dem Geruch verbrennender
Holzkohle zu einer Mischung, die ihm vage bekannt vorkam. Und dann
fiel es ihm ein; so klar und deutlich, dass es ihm einen Moment
lang den Atem raubte.
    Es war die Erinnerung
an seine erste Operation, die er vor mehr als
zehn Jahren in Wien durchgeführt hatte. Ebenfalls in einer
mäßig kalten Winternacht, und auch damals hatte sich das
Lavendelparfum der Frau mit dem Geruch verbrennender Holzkohle
vermischt. Hatte er sie angesprochen oder sie ihn? Er wusste es
nicht mehr. Das Stundenhotel, in das sie gegangen
waren, lag in der Nähe des Michaelerplatzes, ein Haus mit
abblätterndem Putz und knarrenden Stiegen. Sie hatte sich
entkleidet, mit geschäftsmäßigen, routinierten
Bewegungen, und ihm ein ebenso routiniertes Lächeln geschenkt.
War es dieses Lächeln gewesen, das nicht ihre Augen
erreichte?
    Sie hatte sich auf den
Rücken gelegt, und seine Hände waren langsam über
ihren Körper gewandert, über Bauch, Brust und Schultern.
Dabei hatte er gespürt, wie sich etwas in ihm regte. Nicht
das, was sich normalerweise in einem Mann regte, wenn er eine Frau
berührte, sondern etwas ganz anderes. Ein wildes Tier, das ihm
Angst machte — jedenfalls damals noch. Als seine Hände
ihren Hals erreichten, hatte er zugedrückt. Er hatte
zugesehen, wie ihr Gesicht erst rot wurde, dann blau, wobei ihre
Augen hervorquollen, als würden sie jeden Moment aus ihren
Höhlen rutschen.
    Nachdem sie tot war,
hatte er minutenlang auf sie herabgestarrt und genau gewusst, dass
es damit nicht zu Ende war, ohne allerdings die geringste Ahnung zu
haben, wie es weitergehen könnte. Seine Gedanken hatten sich
unablässig im Kreis bewegt. In diesem Augenblick hatte alles
aus Schatten bestanden, schwarz auf schwarz. Schließlich hatte
er wie in Trance das Etui mit dem Messer aus der Tasche gezogen und
die Spitze des Messers über den Bauch der Frau geführt,
ohne zu wissen, was er als Nächstes tun würde. Er hatte
zugesehen, wie sich der Einschnitt, der kaum über die obersten
Hautschichten hinausging, langsam mit dunkelrotem Blut füllte.
Das hatte ihn so fasziniert, dass er zum zweiten Mal geschnitten
hatte, nur ging der Schnitt diesmal deutlich tiefer. Beim dritten
Schnitt, dem, der sie aufschlitzte, hatte er auf einmal gewusst,
was er wollte.     
    Als er die Operation
durchführte, war das Machtgefühl, das er dabei empfand,
unglaublich gewesen - so als strömte die Donau bei Hochwasser
durch seinen Kopf. Er hatte dieses Gefühl so sehr genossen,
dass er damals schon wusste, es würde ein zweites Mal geben.
Und ein drittes Mal.
    Natürlich hatte
er Schuldgefühle erwartet, lähmende Albträume, die
ihn jede Nacht um den Schlaf bringen würden. Aber
merkwürdigerweise war das Gegenteil eingetreten. Er hatte sich
am Tag darauf wie neugeboren gefühlt.

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