Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
mit
Schlagsahne zu verspeisen, als Leutnant
Sikorski mit seinen Männern im Hotel eintraf.» Spaur
schnaubte. «Trifft das zu, Commissario?»
Ja, das traf
bedauerlicherweise zu. Signor Crespi, immer an einem guten
Verhältnis zur Polizei interessiert, hatte höflich darauf
bestanden, dass die Cavalieri etwas zu sich
nehmen sollten. Und war, nachdem Tron als
fürsorglicher Vorgesetzter keine Einwände erhoben hatte,
mit einem großen Tablett zurückgekehrt. Das alles, auch
der anschließende Verzehr von Kirschtorte mit Schlagsahne,
hatte sich unter den Augen des Obersts abgespielt.
Gewissermaßen ein gefundenes Fressen für ihn. Tron war
sich, ebenso wie Spaur, über die katastrophale Wirkung der
Worte Kirschtorte und Schlagsahne in dem Bericht der
Kommandantura völlig im Klaren.
«Es gab nichts
zu tun, Baron», sagte Tron. «Da wir überzeugt
waren, dass es sich bei dem Ausweider um einen Angehörigen der
kaiserlichen Streitkräfte handelte, lag der Fall nicht mehr in
unseren Händen. Wir hatten nicht einmal das Recht, Fragen an
den Oberst zu richten. Und da es bereits ein Missverständnis
zwischen ihm und uns gegeben hatte, hielt ich es für klug,
mich diesmal genau an die Regularien zu halten. Das Einzige, was
wir tun konnten, war, den Mann bis zum Eintreffen der
Militärpolizei festzuhalten.»
Spaur musterte Tron
mit zusammengekniffenen Augen. «Stumm hat keinen Versuch
gemacht, den Fall mit Ihnen zu klären?»
Tron schüttelte
den Kopf. «Er war stumm wie ein Fisch. Er hat lediglich
gesagt, dass wir uns noch wundern werden.»
«Sie haben das
nicht ernst genommen?»
«Warum sollten
wir? Es sprach alles gegen ihn. Die Maske, der Akzent, das Messer,
die Vorgeschichte.»
«Ist niemand auf
den Gedanken gekommen, das angebliche Beweisstück zu
untersuchen?»
«Wir haben das
Rasiermesser selbstverständlich sofort gesichert», sagte
Tron.
«Aber offenbar,
ohne einen genauen Blick darauf zu werfen.»
«Der Oberst
hätte die Angelegenheit mit einem einzigen Wort klären
können», sagte Tron lahm.
Spaur trank einen
weiteren Schluck Kaffee und sah den Commissario wütend an.
«Hat er aber nicht. Stattdessen hat er Sie ins
Messer laufen lassen. Und das konnte er
nur, weil Sie die ganze Operation an einem faulen Beweisstück
aufgehängt haben.» Er setzte seine Tasse klirrend ab.
«Was genau ist passiert, nachdem Leutnant Sikorski mit seinen
Leuten im Hotel aufgetaucht war?»
«Ich habe ihn
über die Situation ins Bild gesetzt und ihm den Mann
übergeben. Selbstverständlich mit der Bitte, am nächsten Tag
ein Übergabeprotokoll an die Questura zu
schicken.»
«Und
dann?»
«Hat Leutnant
Sikorski dem Oberst die Fesseln abgenommen, und der Oberst hat den
Leutnant sofort zur Seite genommen und ein paar Worte mit ihm
gewechselt.»
Spaur gab ein
gequältes Geräusch von sich. «Und Leutnant Sikorski
hat anschließend verlangt, das Rasiermesser des Obersts zu
sehen. Richtig?»
Tron nickte.
«Der Leutnant hat es aufgeklappt, die Schärfe
geprüft und mich anschließend gefragt, was ich von der
Klinge halte.»
«Und was haben
Sie geantwortet?» Spaur beugte sich über den
Schreibtisch und sah Tron an.
Tron stellte fest,
dass er nicht die geringste Lust hatte, an den peinlichen
Höhepunkt des Abends zurückzudenken. An den Moment, als
Leutnant Sikorski grinsend versucht hatte, sich mit der Klinge in
den Daumen zu ritzen. Und er, Tron, sich zu Recht wie ein Esel
vorgekommen war.
«Ich musste
zugeben», sagte Tron, «dass die Klinge des
Rasiermessers ...» Er brach den Satz ab.
«Ja?»
Spaur blieb unerbittlich.
«Dass die Klinge
stumpf war», sagte Tron.
Spaur lächelte,
aber seine Augen waren eiskalt. «Und dann hat der Oberst Sie
vermutlich darauf hingewiesen, wie unwahrscheinlich es ist, dass
der Ausweider mit einem stumpfen Rasiermesser in die Schlacht
zieht.»
Tron seufzte.
«Das hat er allerdings.»
«Womit wir den
Oberst vergessen können.»
«Nicht
unbedingt», sagte Tron.
«Was soll das
heißen, Commissario?» Der Polizeipräsident hob die
Augenbrauen.
«Er könnte
das Terrain sondiert haben.»
«Um einen
weiteren Mord vorzubereiten?»
«Vielleicht», sagte
Tron, «weil er nach dem Debakel in der Kirche kein Risiko
mehr eingehen möchte. Damit, dass die Frau auf das Messer
stoßen und ihn niederschlagen würde, konnte er nicht
rechnen.»
Der
Polizeipräsident zog eine Flasche Grappa aus der Schublade,
entfernte den Korken und sah Tron mitleidig an. «Sie halten
den Oberst immer noch
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