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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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für den Ausweider?»
    «Ich würde
ihn jedenfalls noch nicht von der Liste der Verdächtigen
streichen», sagte Tron. Eine völlig unsinnige Bemerkung,
weil es gar keine Liste gab. Genau das war das Problem.
    Spaur gab einen Schuss
Grappa in seinen Kaffee. «Wenn er es tatsächlich
war», sagte er, «dann werden die Morde aufhören.
Der Oberst wird auf Tauchstation gehen.»
    Tron schüttelte
den Kopf. «Das glaube ich nicht.»
    «Und warum
nicht?»
    Tron hatte
plötzlich die kreischende Stimme im Ohr, mit der Stumm von
Bordwehr auf der Wache Ich bringe dich um geschrien hatte.
«Weil der Oberst verrückt ist», sagte
er.

32
    Die Tischdecke war
voller Flecken, der Falerner war sauer und eiskalt, und
selbstverständlich war das Weinglas mit fettigen
Fingerabdrücken übersät. Dass seine Serviette, die
er immerhin zum Mund führen musste, eindeutig benutzt worden
war, hatte ihn nicht überrascht. Der Laden, der sich Trattoria
Goldoni nannte, war ein Saustall, und die bloße Vorstellung,
wie es in der Küche aussah, drehte ihm den Magen um. Am
Nebentisch saßen zwei angeheiterte Leutnants der kroatischen
Jäger und verspeisten gemeinsam einen Kalbskopf: Augen, Zunge,
Maul, Zahnfleisch. Ihre gewaltigen, balkanmäßigen
Kinnladen kauten und mahlten, wobei die Leutnants durchdringende
Knack- und Knirschgeräusche hervorbrachten. Jedes Mal, wenn er
schaudernd einen Blick zum Nebentisch riskierte, musste er
unwillkürlich an das griechische Wort Nekrophagen denken.
Leichenfresser.
    Die Leber, die ihm der
dicke Kellner gebracht hatte, fegato alla
veneziana, war allerdings ausgezeichnet.
Genauer gesagt: Sie war so zubereitet, wie er es sich erhofft
hatte. Sie war sorgfältig abgezogen und geschnetzelt, und der
Koch hatte sie mit Knoblauch, Zwiebeln, Rosmarin und Thymian in
Olivenöl gebraten. Serviert wurde sie zusammen mit einer
großen Portion Polenta, die mit Parmesankäse und Butter
verrührt worden war. Dass der Koch so weit gegangen war, die
Polenta zusätzlich mit frischer Sahne zu verfeinern, stand in
auffälligem Kontrast zu den traurigen Standards, die offenbar
sonst in der Trattoria Goldoni herrschten.
    Es hatte einen ganzen
Tag gedauert, bis er nach dem bedauerlichen Zwischenfall in San
Giovanni in Bragora sein geistiges Gleichgewicht wiedergefunden
hatte. Den täglichen Dienst hatte er lustlos verrichtet, den
Ausführungen seines Herrn und Meisters war er nur mit halbem
Ohr gefolgt. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, war in seinem
Kopf die grässliche Szene abgelaufen, die sich in der Nacht
zuvor auf den Altarstufen abgespielt hatte: das durchdringende
Knarren, mit dem sich die Tür der Sakristei geöffnet
hatte, die bedrohliche Silhouette des Mannes auf der Schwelle, das
Messer, das ihm, wie Abraham, vor lauter Schreck aus der Hand
gefallen war, und dazu noch in seinem Inneren das kreischende Tier,
das immer eine Ewigkeit brauchte, um etwas zu kapieren. Nur gut,
dass wenigstens er die Nerven behalten und sich
sofort aus dem Staub gemacht hatte. Hatte Pater Hieronymus ihn
erkannt? Nein, dafür war es in der Kirche viel zu dunkel
gewesen. Sonst wäre der Commissario schon lange bei ihm
aufgetaucht, um ein Gespräch mit ihm zu fuhren.
    Jedenfalls war ihm
heute Nachmittag eingefallen, wie er diese peinliche Scharte
auswetzen konnte, und je mehr er darüber nachgedacht hatte,
desto mehr hatte ihn sein Einfall fasziniert. Dass das wilde Tier
in ihm seine Faszination nicht teilte, war ein wenig
enttäuschend gewesen. Aber im Grunde, dachte er, handelte es
sich um ein primitives Lebewesen, dem es völlig
gleichgültig war, unter welchen Umständen Blut floss
— solange es nur kräftig sprudelte. Er rief den Kellner,
bezahlte die Rechnung, gab ein großzügiges Trinkgeld und
brachte es sogar fertig, die kroatischen Nekrophagen (inzwischen hackevoll)
vom Nebentisch mit einem freundlichen Nicken zu
bedenken.
    Ein paar Minuten
später durchschritt er den Sottoportego unter dem Uhrenturm
und erreichte die Piazza San Marco. Jetzt, um diese Zeit — es
war kurz vor acht — war es hier äußerst belebt.
Ganze Heerscharen von maskierten Fremden schoben sich an Maronen-
und Frittoliniverkäufern vorbei, Kinder, aufgeregt, weil man
sie noch nicht ins Bett geschickt hatte, fütterten Tauben, und
vor dem Cafe Quadri hatte sich die übliche Ansammlung von
kaiserlichen Offizieren gebildet. Waren mehr Polizeipatrouillen als
sonst auf der Piazza zu sehen? Nein, das fand er nicht.
    Natürlich hatte
er an dem Falerner nur genippt,

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