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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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sie zusammen einen langsamen Walzer getanzt, und er war
sich sicher, dass die anwesenden Herren sie beobachtet und sich
womöglich grinsend gefragt hatten, ob der Esel mit der roten
Halbmaske sich darüber im Klaren war, mit wem er da tanzte.
Das war peinlich und erniedrigend, zumal sich der Bursche beim Tanz
in einer fast obszönen Weise an ihn geschmiegt
hatte.
    Jetzt hatten sie die
Calle delle Ostreghe hinter sich gelassen und betraten den Campo
San Maurizio. Außer zwei kaiserlichen Offizieren und einem
maskierten Pärchen mit einer Blendlaterne war ihnen niemand
begegnet. Selbst in der Karnevalszeit schien sich der
nächtliche Trubel auf die Piazza, die Piazzetta und die Riva
degli Schiavoni zu beschränken. Dass ihre Unterhaltung sich
auf den knappen Austausch von Belanglosigkeiten beschränkte,
war ihm nur recht, denn es ging ihm einiges durch den Kopf.
Würde ein travestito mehr Schwierigkeiten
machen als eine mammola? Würde es ihm
gelingen, die Lederschlinge so lange in ihrer erforderlichen
Position zu halten, bis der travestito das Bewusstsein
verlor? Der Bursche an seiner Seite sah nicht sehr kräftig
aus, aber er war auch nicht gerade schmächtig. Er hatte kein
gutes Gefühl bei alledem, doch er wusste, dass es aussichtslos
war, das Tier in ihm jetzt noch zum Abbruch des Unternehmens zu
bewegen.
    Vom Campo San Maurizio
ging eine kleine Calle ab, die am Canalazzo endete, und dort lag,
auf der rechten Seite der Gasse, die Pensione Pollini, die
der travestito ihm vorgeschlagen
hatte.Von einer Pensione Pollini hatte er noch nie etwas
gehört, aber das hatte nichts zu bedeuten. In Venedig gab es
Dutzende von kleinen Stundenhotels. Er würde notfalls an Ort
und Stelle entscheiden, ob es nicht doch besser war, das
Unternehmen vorsichtshalber abzubrechen.
    Dass auch die
Concierges inzwischen misstrauisch waren, lag auf der Hand. Doch
vermutlich, dachte er, würde ein Maskierter, der mit einem
Transvestiten auftauchte, keinen Verdacht erregen.
    Der Eingang der
Pension lag fast am Ende der Gasse. Es war ein unscheinbares,
dreistöckiges Gebäude, über dessen Eingang ein
Öllämpchen einen schwachen Lichtschein auf ein Schild mit
verblichenen Buchstaben warf. Wenige Schritte vor ihnen lagen
bereits die Stufen zum Canalazzo. Ein paar erleuchtete Fenster auf
der anderen Seite des Wassers schimmerten schwach in der
Dunkelheit, aber es war zu diesig, um den Umriss der Gebäude
zu erkennen. Plötzlich fiel ihm die Operation auf der Gondel
ein und das Vergnügen, das er dabei empfunden hatte. Das
Vergnügen, das er und das Tier dabei empfunden
hatten.
    Als er, ein
sentimentales Lächeln auf den Lippen, den Kopf drehte, blickte
er in den Lauf einer Waffe. Waffe war eigentlich zu viel gesagt,
denn das, was der Bursche in der Hand hielt, war trotz des
schwachen Lichtes als einläufige Derringer zu identifizieren
— eine Pistole, die unangenehm verletzen konnte, deren
Gebrauch aber in den seltensten Fällen zum Tod führte.
Eine typische Tuntenknarre mit mäßiger
Durchschlagskraft, von Spielern und Frauenzimmern bevorzugt. Und
offenbar auch von Transvestiten. Wenn der Bursche denn
überhaupt einer war. Denn unter dieser Voraussetzung ergab
alles plötzlich einen Sinn: die Aufforderung zu tanzen, das
obszöne Anschmiegen auf der Tanzfläche, um zu
prüfen, ob er seine Brieftasche dabeihatte. Und der preiswerte
Tarif, der nur den Sinn hatte, ihn in diese dunkle Ecke zu locken.
Ein Raubüberfall also. Grandios. Und was machte die Bestie,
das wilde Tier in ihm? Es schien in Ohnmacht gefallen zu sein.
Jedenfalls passte es zur Situation, dass die affektierte Stimme
des Mannes
plötzlich kalt und sachlich sagte: «Drehen Sie sich um,
Signore. Nehmen Sie die Hände hoch und legen Sie sie an die
Wand.»
    Na, wunderbar. Er
drehte sich langsam um, stellte dabei ohne Überraschung fest,
dass sie in der dunklen Gasse allein waren, und legte die
Hände an den Putz der Hauswand. Sollte er laut um Hilfe rufen?
Die Häuser in der Gasse waren bewohnt, und die Anwohner
konnten sofort herbeieilen. Aber was dann? Sollten sie den Mann
festhalten und der Polizei übergeben? Nein, bloß keine
Polizei. Andererseits war zu erwarten, dass der Bursche gleich
seine Taschen durchsuchen würde. Und dabei nicht nur seine
Brieftasche, sondern auch das Messer und die Lederriemen finden
würde. Und dann? Würde es bei ihm
klingeln?   
    Über das, was er
jetzt tat, dachte er nicht lange nach. Er nahm die Hände von
der Wand, duckte sich blitzschnell und

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