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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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rasiert und angekleidet. Dann hatte er sich von
der Principessa im Kontor verabschiedet, um sich, wie jeden Morgen,
zum Frühstück ins Florian zu begeben. Es regnete nicht
mehr, aber der Himmel war wolkenverhangen, und als er sich von dem
Traghetto an der Salute nach San Marco übersetzen ließ,
wehte ein kalter Wind vom Bacino di San Marco in die Mündung
des Canalazzo. Da Tron es für unklug hielt, persönlich im
Palazzo Cavalli vorzusprechen, hatte er einen Sergente zu Julien
geschickt, mit der Bitte, ihn möglichst schnell im Café
Florian zu treffen.
    Dort stellte Tron
fest, dass ihn der vertraute Geruch von Kaffee und frischem
Gebäck, das Klappern, mit dem die ovalen Tabletts auf den
Tischen abgestellt wurden, sofort in eine bessere Stimmung
versetzten. Trotz der für venezianische Verhältnisse
frühen Stunde war das Florian bereits lebhaft besucht. Einige
Gäste lasen die Stampa di Torino, ein Herr
blätterte sogar in der Londoner Times, doch Tron hatte heute nicht die
Absicht, sich um die Einhaltung der Pressezensur zu
kümmern. 
    Nachdem er seinen
Kaffee getrunken und eine halbe Brioche verspeist hatte, lehnte er
sich auf der Polsterbank im maurischen Salon zurück und
seufzte. Nein, dass ihre Ermittlungen bisher sonderlich erfolgreich
verlaufen waren, konnte man nicht behaupten, und was sich aus
Bossis nächtlichem Abenteuer ergeben würde, stand
vorläufig noch in den Sternen. Zu allem Überfluss musste
Tron feststellen, dass die Gazzetta di Venezia einen Bericht
über den Mord auf dem Campanile gebracht hatte. Der Artikel
deutete Zweifel an der Effizienz der venezianischen Polizei an und
kam einer Kriegserklärung der Kommandantura an die Questura
gleich. Das würde das Gespräch mit Spaur, das Tron
nachher führen musste, nicht einfacher machen.
    *
    Es war kurz vor halb
elf, als Julien den maurischen Salon betrat. Er trug eine
rotgefütterte Pelerine, auf dem Kopf einen Zylinderhut, dazu
weiße Handschuhe und — der letzte Schrei —
weiße Gamaschen. Da sich am Nebentisch eine französische
Familie niedergelassen hatte, sprachen sie Italienisch.
    Tron brauchte zehn
Minuten, um Julien über die Ereignisse der letzten Nacht ins
Bild zu setzen. «Es ist wahrscheinlich», schloss er
seinen Bericht, «dass sich gestern Nacht jemand in Ihren
Garten geflüchtet hat, und wir fragen uns, wer das gewesen
sein könnte. Der Mann war glatt rasiert und sprach mit einem
ausländischen Akzent.»
    Julien hatte sich,
während er zuhörte, eine Maria Mancini angesteckt, die Marke,
die auch die Principessa rauchte. Das fand Ton irritierend, nahm
sich aber vor, nicht darüber nachzudenken — jedenfalls
nicht im Moment.
    Der Neffe
überlegte, wobei er wie ein Kind die Finger zu Hilfe nahm:
«Im Palazzo Cavalli leben zwanzig Personen. Die Hälfte
davon sind Männer, und die wenigsten haben einen
Bart.»
    «Und wer
hat keinen Bart?»
    «Die zwei
Kammerdiener des Comtes, der Gondoliere, die beiden Köche und
Pater Francesco.» 
    «Wer ist Pater
Francesco?»
    «Der Beichtvater
des Comtes», erklärte Julien verdrossen. Er kippte den
Sambuca, den er bestellt hatte, in seinen Kaffee und rundete das
Getränk mit einem Schuss Milch ab. «Pater
Francesco», fuhr er fort, «hält auch die Messen in
der Hauskapelle ab.»
    Das Wort Messe hörte sich in
Juliens Mund eher an wie schwarze Messe. Tron hatte nicht den
Eindruck, dass der Neffe viel von Pater Francesco hielt.
«Kennen Sie ihn näher?»
    Julien schüttelte
den Kopf. «Ich kenne ihn kaum, und wir reden selten
miteinander. Er kann mich nicht leiden und ich ihn nicht. Mit
Sicherheit», setzte er hinzu, «missbilligt er meinen
Lebenswandel.»
    «Wenn Sie
miteinander reden — in welcher Sprache?»
    «Italienisch.»
    «Hat er einen
Akzent?»
    «Einen
leichten», sagte Julien. «Man hört, dass er
Ausländer ist.»
    «Verlässt
Pater Francesco abends hin und wieder das Haus?» Tron sah
Julien gespannt an. «Vielleicht in Zivil?»
    «Nicht dass ich
wüsste.» Julien warf einen amüsierten Blick
über den Tisch. «Wollen Sie damit andeuten, dass der
Mann, der durch die Gartenpforte entkommen ist, Pater Francesco
gewesen sein könnte?»
    «Ich kenne den
Pater nicht», sagte Tron. «Aber wenn er Ihren
Lebenswandel missbilligt, wäre es denkbar, dass er
...»
    Nein — das war
Unsinn. Tron sprach den Satz nicht zu Ende. Ein vom religiösen
Wähn erfasster Priester, der im venezianischen Rotlichtmilieu
wütete, war ein Klischee aus den Groschenromanen, die Ispettor
Bossi stapelweise

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