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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Er war immer ein
guter Menschenkenner gewesen, und in diesem Spaur — so
primitiv, wie der Bursche funktionierte — hatte er lesen
können wie in einem aufgeschlagenen
Buch.   
    *
    «Dieser
Bursche», sagte Spaur eine halbe Stunde später, indem er
Tron und Bossi, die vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatten,
mit einem dynamischen Blick bedachte, «dieser Bursche bildet
sich womöglich ein, dass mich seine hohe Position
einschüchtert und ich beide Augen fest
zudrücke.»
    Der
Polizeipräsident stieß ein verächtliches Lachen aus
und versenkte die Hand in der Schachtel mit dem Demel-Konfekt.
«Und dass ich so scharf auf eine Einladung in den Palazzo
Cavalli bin, dass ich darüber meine Dienstpflichten
verletze!» Spaur wickelte ein Mandelkrokant-Praline aus und
sah Tron an. «Wie sicher sind Sie, dass der Mann etwas zu
verbergen hat?»
    «Sein Alibi ist
faul» sagte Tron. «Er hatte angeblich ein Treffen, bei
dem es um das Schicksal
Frankreichs ging, wie er sich ausdrückte.
Mit einer Person, deren Namen er mir nicht nennen
wollte.»
    «Er hat gefaselt?»
    «Gefaselt und
Ausflüchte gemacht.»
    Spaur lehnte sich
befriedigt auf seinem Stuhl zurück. «Also haben wir den
Mann? Ist es das, was Sie sagen wollen,
Commissario?»
    «Es sieht fast
so aus.»
    «Was
heißt fast ? Reicht unser Material aus, um
die Sache der Militärpolizei zu übergeben oder
nicht?»
    «Bossi hat ihn
ja nicht direkt gesehen.»
    Spaur wandte sich an
Bossi. «Was soll das bedeuten, Ispettore?»
    «Dass ich den
Comte lediglich maskiert gesehen habe»,
sagte Bossi. «Er trug eine Halbmaske. Es hätte
theoretisch auch jemand anders sein können.»
    «So
betrachtet», fügte Tron hinzu, «ist der einzige
Beweis, den wir gegen den Comte haben, die Tatsache, dass er kein
Alibi aufweisen kann und offenbar etwas zu verbergen
hat.»
    Spaur ließ ein
Stück Trüffelkrokant in seinem Mund verschwinden und
dachte nach. «Er könnte eine Geliebte haben»,
sagte er schließlich. 
    Tron schüttelte
den Kopf. «Das hätte er angedeutet. Niemand hätte
Anstoß daran genommen, und auf unsere Diskretion hätte
er sich verlassen können.»
    «Demnach hat der
Comte tatsächlich etwas zu verbergen», sagte
Spaur.
    «Was schlagen
Sie vor, Baron?»
    «Dass Sie heute
noch einen Bericht schreiben», sagte Spaur. «Deuten Sie
den außenpolitischen Aspekt der Affäre an und bezweifeln
Sie die Zuständigkeit der venezianischen
Polizei.»
    «Also wird die
Kommandantura den Fall übernehmen?»
    Spaur nickte.
«Dass sich daraus eine erfreuliche Konsequenz für die
Polizeistatistik ergibt, wird Toggenburg nicht gefallen. Aber diese
Kröte muss er schlucken.»

45
    Alphonse de Sivry
— dessen am Markusplatz gelegenes
Antiquitätengeschäft sich eines hervorragenden Rufes
erfreute, obwohl sein Besitzer es weder mit der Echtheit noch mit
der Herkunft seiner Ware sonderlich genau nahm — richtete
seine Lupe auf die Schnupftabaksdose, die er heute Vormittag in
Kommission genommen hatte. Angeblich stammte die Dose aus
Familienbesitz. Sivry hatte schon bessere Lügen
gehört.
    Die Schnupftabaksdose,
oval und so groß wie der Handteller eines Kindes, war eine
französische Arbeit aus der Zeit des Sonnenkönigs. Sie
bestand, bis auf den Rahmen des Deckels und das Scharnier, aus
purem Gold. Zwei Dutzend winzige Rubine auf dem Deckel ahmten einen
Früchtekranz nach, und es gab den kleinen, fast unsichtbaren
Kratzer am Boden. Kein Zweifel, es war dasselbe Stück, das er
im Oktober letzten Jahres an einen cavaliere verkauft hatte, der
mit Sicherheit keine Veranlassung gehabt hatte, sich davon zu
trennen.Was nichts anderes bedeutete, als dass diese Dose so
heiß war wie ein Stück glühende Kohle — und
es sich bei dem Burschen, der sie ihm gebracht hatte, um einen
veritablen Esel handelte.
    Alphonse de Sivry
legte die Lupe aus der Hand und verstaute die Dose in der Schublade
seines Schreibtisches. Dann trank er genussvoll einen Schluck
Kaffee, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte
zufrieden. Zwei reizvolle Möglichkeiten ergaben sich jetzt: Er
konnte, mit dem Hinweis auf den fragwürdigen Status des
Artikels, das Stück selbst für einen Spottpreis erwerben
und es später im Ausland verkaufen. Oder er konnte sich auf
die Questura begeben, um die Auffindung des Diebesgutes zu melden
und damit sowohl dem Commissario als auch dem
    
    cavaliere seine Ehrlichkeit zu
demonstrieren. Was sich, dachte er, vielleicht doch empfahl.
Speziell im Hinblick auf die immer

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