Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
Flügelblätter bissen sich fest und schoben den Rumpf in einer einzigen, gewaltigen Bewegung nach oben. Partikel von Sandkorngröße bis hin zu erschreckend großen Felsbrocken hämmerten auf den Rumpf. Die zahlreichen Einschläge klangen, als würde das kleine Fluggerät von Maschinengewehrfeuer getroffen. Die Stressbelastungsanzeigen wanderten rasch in den gelben Bereich. Justine zuckte beinahe unununterbrochen zusammen ob der Wucht der Steine, die gegen die transparente Cockpitkanzel krachten, keine dreißig Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt.
Trotz allem: Dies war der Augenblick, der Grund, aus dem sie hier war. Nicht jeder kam bis zu dieser Stelle. Nicht wenige zerschellten am Boden oder den Wänden des Stakeout Canyons. Andere, denen es gelang, den Wasserfall hinauf zu fliegen, fanden keinen passenden Tornado oder vermasselten den Eintritt. Doch Justines fremde Erinnerungen hatten ihren Zweck erfüllt und ihr das erforderliche Geschick verliehen. Jetzt musste sie nur noch die Entschlossenheit hinzufügen, um die Sache bis zum Ende durchzuziehen. Das war es, weshalb sie hierher gekommen war: um herauszufinden, ob sie noch immer die gleiche ungestüme, sorglose Persönlichkeit war, an die sie sich aus ihrem ersten Leben erinnerte.
Die Maschinen in ihrem Rücken heulten auf und erzeugten ein Gegenmoment zur Drehrichtung des Wirbels. Es half gewaltig, den Rumpf zu stabilisieren, und darüber hinaus hielt es das Cockpit ruhig. So lautete jedenfalls die Theorie. Justine fühlte sich benommen, und ihr war übel – nicht, dass es eine visuelle Möglichkeit gegeben hätte zu überprüfen, ob sie nun rotierte oder nicht. Die virtuellen Diagramme zeigten eine schwache Rotation an, die das Onboard-Array zu kompensieren versuchte. Die Beschleunigung drückte Justine fast schmerzhaft tief in ihren Sitz.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Hyperglider aus der Spitze des Tornados heraus schoss wie eine Rakete aus ihrem Abschussrohr. Obwohl Justine nur wenige Sekunden in seinem Innern verbracht hatte, war ihre Geschwindigkeit fast doppelt so groß wie beim Eintritt. Die Rumpfmotoren heulten erneut auf und beendeten die Gegenrotation. Die Flügel und Heckstabilisatoren fuhren aus, und diesmal nahmen sie eine mehr normale Planform ein, gerade Pfeilflügel und eine gekreuzte Heckflosse. So weit oben gab es kaum Atmosphäre, die sie bremsen konnte – der Hyperglider jagte glatt durch die Stratosphäre. Das Fahrzeug verfolgte eine einfache ballistische Kurve, deren Apex neun Kilometer über dem Gipfel des Mount Herculaneum liegen würde.
Justine beobachtete, wie die Anzeige für den Druck herunter zählte, bis draußen vor dem Rumpf ein effektives Vakuum herrschte. Der Himmel war nicht mehr blau, sondern mitternachtsschwarz. Ringsum leuchteten die Sterne, während blendend grelles Sonnenlicht in das Cockpit strömte.
Der Kontrast war überwältigend. Aus dem trommelnden Terror des Sturms hinaus in die absolute Stille des Weltalls innerhalb weniger Sekunden. Obwohl diese Umgebung Stück für Stück für Menschen genauso tödlich war wie der Sturm, fühlte Justine sich hier oben eigenartig sicher und geborgen. Ihr hämmernder Pulsschlag beruhigte sich allmählich. Sie lockerte die Sicherheitsgurte an ihren Schultern und verrenkte den Kopf, um nach draußen zu sehen.
Sie befand sich fast auf gleicher Höhe mit dem Gipfel des Mount Herculaneum und stieg immer noch höher. Der Vulkan erstreckte sich unter ihr, und seine Hänge verschwanden hinter den Wolken. Weit hinter dem Heck des Hypergliders schoss der Sturm aus dem Stakeout Canyon in die Höhe und kochte um die gewaltige Felsbarriere herum. Justine verdrehte den Kopf nach Steuerbord und blickte in den Krater des Mount Titan hinab. Direkt am Boden leuchtete das dämonenhafte rote Auge des Lava-Sees, teilweise verdeckt von dichten schwarzen Rauchwolken. Breite Tentakel stiegen nach oben, wurden dünner, als sie den Kraterrand erreichten, und verwandelten sich in einen Nebel, aus dem es flockige graue Asche auf die oberen Hänge des Berges regnete. Justine war ein wenig enttäuscht, dass er nicht aktiver war: Einheimische von der Karawan-Crew hatten von dem Anblick geschwärmt, den Mount Doom (wie sie ihn nur halb scherzhaft nannten) bot, wenn die Lava nach oben schoss.
Achteinhalb Kilometer über dem Gipfel des Mount Herculaneum hatte der Hyperglider den obersten Punkt seiner ballistischen Kurve erreicht. Die Flugbahn flachte ab, als die niedrige Schwerkraft von
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