Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
konnte. Mit seiner weißen Kappe und dem locker sitzenden orangefarben und schwarz gestreiften Hemd schien er der Hitze gegenüber völlig immun zu sein. Paula zog ihre Anzugjacke aus und hängte sie über die Rücklehne ihres Stuhls; ihre weiße Bluse klebte an der Haut. Die Perücke war heiß; sie spürte den Schweiß, der auf ihrer Stirn perlte, doch sie widerstand dem Verlangen, die Perücke zu verschieben. Ein Kellner des Cafés musterte sie finster von seinem Stuhl direkt hinter dem Eingang aus. Als klar wurde, dass sie nicht gehen würden, erhob er sich missmutig und schlenderte herbei.
»Ah, uno, aqua, minerale, er natur …«, stotterte Paula.
Der Kellner bedachte sie mit einem mitleidigen Seufzen. »Mit oder ohne Kohlensäure?«
»Oh. Ohne Kohlensäure bitte. Und gekühlt, mit Eiswürfeln.« Die Kellner von Venice Coast blickten gewöhnlich mit Verachtung auf jeden herab, der des Italienischen nicht wenigstens bruchstückhaft mächtig war.
Tarlo bat um ein alkoholfreies Bier und eine Schale geräucherter Rasol-Nüsse.
Beide erhielten einen weiteren Blick größter Herablassung, bevor der Kellner die Schultern hängen ließ und zurück ins Ladeninnere schlurfte.
»Ist doch immer wieder schön, sich unauffällig unter das Volk zu mischen«, bemerkte Tarlo. Er legte die in Sandalen steckenden Füße auf das rostige Eisengeländer, das den Rand des granitgepflasterten Platzes vom Wasser des Kanals trennte.
Paula warf einen Blick auf ihren Zeitgeber. »Wir werden in einer halben Stunde weitere Getränke bestellen und danach einen Imbiss. Ich möchte wenigstens zwei Stunden hier bleiben.«
»Boss, wir haben die gesamte Umgebung mit Sensoren unter Beobachtung, das wissen Sie. Nicht mal eine Brieftaube kommt unbemerkt rein oder raus.«
»Ich weiß. Aber es ist wichtig für mich, das Ziel selbst zu studieren. Ich muss ein Gefühl für die Operation bekommen.«
»Ja, sicher.« Tarlo grinste. »Das sagen Sie immer wieder.«
Wenn die Umwandlung des Direktorats zur Security Agency etwas Gutes mit sich gebracht hatte, dann war es die Vergrößerung der nachrichtendienstlichen Basis. Endlich einmal waren die Informationen, dass Valtare Rigin eine Anzahl sehr komplizierter und sehr beschränkt zugänglicher Hightech-Produkte gekauft hatte, nicht von einem von Paulas eigenen Agenten gekommen. Stattdessen hatte das Special Criminal Bureau von Anacona routinemäßig einheimische Hersteller von Produkten mit mehrfachen Nutzungsmöglichkeiten überwacht. Dabei hatte es auch einen Industriezulieferer überprüft, der eine Reihe von ungewöhnlich starken molekularen Resonanzstabilisatoren gekauft hatte, die Sorte, die man in großen Schutzschirmgeneratoren verwenden konnte. Wie sich herausgestellt hatte, war die Zulieferfirma reine Tarnung, und das Geld stammte von einem Einmal-Konto einer Bank auf StLincoln.
Das Bureau verfolgte die Lieferung, die durch eine Anzahl dunkler Kanäle ging, bis ein Kurier sie in Empfang nahm und in der Galerie von Valtare Rigin ablieferte. Das war der Augenblick, an dem die Agency alarmiert worden war.
Observations-, Abhör- und Verfolgungsmonitore hatten ihnen gezeigt, dass Rigin eine ganze Menge von Komponenten mit zweideutiger Verwendungsmöglichkeit kaufte. Es handelte sich ausnahmslos nicht um Waffen, doch das Muster passte ganz exakt zu Adam Elvins Verschiffungsoperationen.
»Er hat sich eine gute Deckung ausgesucht«, sagte Paula, während sie an ihrem Mineralwasser nippte. »Ich gehe jede Wette ein, dass Rigins Anwalt behauptet, sein Mandant benötige die Komponenten für seine elektromechanischen Kunstwerke.«
»Und warum hat er sie dann auf so umständliche Weise erwerben müssen?«
Paula lächelte im Schatten des Sonnenschirms, als eine leichte Brise den Kanal herauf kam. »Radikale Kunst, wird er sagen.«
»Glauben Sie, dass er die ganze Ladung auf einmal verfrachten wird?«
»Höchstwahrscheinlich. Das Risiko bestand im Zusammenstellen der Fracht. Jetzt, nachdem er damit fertig ist, sind es nur noch ein paar große Kisten, die zu einem legitimen Empfänger geschickt werden.«
»Direkt durch die Hintertür, wie?«
»Genau.« Hinter ihrer großen Sonnenbrille starrte Paula auf die massive, grau gestrichene Holztür an der Rückseite der Galerie und stellte sich vor, wie das Frachtboot dort festmachte und die Container verladen wurden. Selbstverständlich würden sie es mitten am helllichten Tag machen, eine einfache, legale Fracht, nichts zu verbergen. Wohin auch immer
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