Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
hochgewürgt wurde, um ein Immotiles zu füttern; nach der vollständigen Verdauung wurden die Rückstände durch eine einzelne Anusöffnung am Rumpf exkretiert.
Oberhalb der Atemlamellen und der Münder endete der Rumpf in vier Sensorstängeln, welche die beweglichsten aller Gliedmaßen waren und sich in jede Richtung biegen und drehen konnten. Und genau in der Mitte dazwischen, an der höchsten Stelle des Rumpfes, befand sich das empfindliche Nervenrezeptororgan, eine dünne, impulsdurchlässige Membran, die sich über nackte Ganglien erstreckte. Dicht darunter saßen die Augen, gefolgt von einem druckempfindlichen Hautbläschen, das Schallwellen entdecken konnte, einem Büschel dünner, auf Chemikalien reagierender Fasern, die als Riechorgan dienten sowie ein Büschel Tastzellen, welche die Temperatur fühlten.
Für Wesen wie diese Motilen war die Anpassung der Umgebung des Teiches an ihre eigenen Bedürfnisse ein relativ einfaches Unterfangen. Sie hatten schon vor langer Zeit die grundlegenden Fähigkeiten zur Benutzung von Werkzeugen gemeistert und suchten rasch scharfe Steine und Stücke harter Rinde von den umliegenden Bäumen zusammen. Mit diesen als Schaufeln und Hacken gruben sie einen flachen Teich ein klein wenig bachaufwärts vom großen und säumten ihn anschließend mit Steinen, die sie in der ausgegrabenen Erde gefunden hatten.
Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren, wateten die vier größten Motilen in den neu geschaffenen Teich und vereinten erneut ihre Nervenrezeptoren. Diesmal ging die Vereinigung ein ganzes Stück tiefer als eine einfache Zusammenschaltung der Gedanken. Sie pressten ihre Leiber fest zusammen, bereit für die Amalgamation. Der Prozess wurde ausgelöst durch eine Hormonausschüttung, die das mentale Verschmelzen hervorgerufen hatte. Im Laufe der folgenden fünf Wochen durchliefen sie eine atemberaubende Metamorphose. Ihre vier separaten Leiber verschmolzen allmählich auf zellulärer Ebene zu einer singulären Entität. Wo ihre Haut sich berührte, wurde sie weich und löste sich auf, und eine einzige gewaltige Leibeshöhle entstand. In dieser verschmolzen ihre Gehirne und expandierten, ein Umwandlungsmuster, dem die meisten der individuellen Organe folgten. Die Muskeln wurden zurückgebildet und lieferten die Energie für die übrigen Prozesse. Die Beine schrumpften, bis sie nur noch einen Ring aus kurzen fleischigen Stümpfen bildeten, auf denen der neue, mächtige Leib ruhte. Die Arme verkümmerten und fielen ab – sie wurden nicht mehr benötigt. Die Verdauungsorgane wuchsen und breiteten sich um das neue und einzelne Gehirn herum aus wie Efeuranken um einen Baumstamm. Unterhalb des Gehirns wuchs etwas Neues heran: Das reproduktive System, das bisher in den vier individuellen Motilen geschlafen hatte, begann, zu funktionsfähigen Organen heranzureifen. Lediglich die Sensorstängel blieben unverändert und fütterten das sich entwickelnde Gehirn mit den zwölffach empfangenen Eindrücken der Welt ringsum.
Am Ende des Verwandlungsprozesses begann das neue Immotile, MorningLightMountain, mit der Sicherung seines Territoriums. Die verbliebenen acht Motilen kamen und gingen unablässig und fütterten das Immotile mit ihrem halb verdauten Brei. Sie waren angewiesen worden, selbst spezifische Pflanzensorten zu sich zu nehmen, welche die Nahrung mit ganz bestimmten Vitaminen anreicherte.
Angeregt durch die Chemikalien in seiner Nahrung begannen MorningLightMountains reproduktive Organe mit der Ovulation. Die erste Ladung von einhundert Nukleoplasmen wurde aus seinem Körper in den Teich gestoßen, von wo aus sie in den größeren Pool weiter unten trieben. Rings um die Nukleoplasmen herum sammelten sich Basiszellen an.
Die Basiszellen der Primes folgten sich selbst überlassen einem Lebenszyklus ähnlich dem von Amöben. Sie absorbierten Nahrung durch die Zellwände hindurch und vermehrten sich durch Teilung, eine einzellige Lebensform, die den größten Teil der Wasserflächen des Planeten bewohnte. Doch sie trugen auch die DNS in sich für eine ganze Menge mehr als das. Die Nukleoplasmen initiierten das vielzellige Stadium, indem sie Aktivatoren für neue Sequenzen in der DNS freisetzten und die Amöbensequenzen abschalteten. Die Zellhaufen rings um die Nukleoplasmen herum veränderten sich. Sie verschmolzen und entwickelten Organellen mit spezifischen Funktionen. Wie bei jedem vielzelligen Organismus setzte eine Spezialisierung der einzelnen Zellen ein. Das Immotile hatte ein
Weitere Kostenlose Bücher