Conan-Saga 05 - Conan und der Spinnengott
steckte eine Hand hinein und brachte eine Handvoll Münzen zum Vorschein. »Warum tut Ihr das für mich?« fragte er rauh.
»Weil Ihr mir ein Freund wart, als ich einen Freund brauchte, und weil auch ich einen Ehrenkodex habe. So nehmt schon, anstatt mich mit offenem Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen anzustarren.«
»Woher wißt Ihr, daß ich den Mund offen hatte?«
»Ich sehe jetzt, da die meines Körpers mich im Stich gelassen haben, mit meinen inneren Augen.«
»Ich bin schon viel herumgekommen, aber ich habe verdammt wenige Menschen kennengelernt, die so etwas für mich tun würden oder die ich wirklich ›Freund‹ nennen könnte«, sagte Conan. »Die meisten nehmen nur, was sie nehmen können, und behalten, was sie haben. Ich werde es Euch zurückgeben, wenn ich dazu imstande bin.«
»Wenn Ihr es vermögt, gut, wenn nicht, so macht Euch deshalb keine unnötigen Gedanken. Ich habe genug, daß ich den Rest meines Lebens nicht hungern muß. Tochter, zieh die Vorhänge zu und hol mein Dreibein. Ich muß mit den Augen des Geistes erkunden, wohin die Zamorier gezogen sind. Conan, ich brauche eine Weile für meine Vorbereitungen. Ihr müßt hungrig sein.«
»Hungrig!« rief Conan. »Ich könnte ein ganzes Pferd mit Haut, Haar und Knochen verschlingen. Seit zwei Tagen hatte ich nichts mehr zu essen, weil ich durch den Verlust meines Rappen länger unterwegs war, als mein Proviant reichte.«
»Tahmina wird Euch ein Mahl zubereiten. Vielleicht wollt Ihr auch das Badehaus am Ende dieser Straße besuchen? Nehmt meinen alten Umhang und zieht Euch die Kapuze tief ins Gesicht. Des Königs Leute halten möglicherweise Ausschau nach Euch.«
Eineinhalb Stunden später kehrte Conan in Kushads Haus zurück. Tahmina flüsterte ihm zu: »Psst, Hauptmann Conan. Mein Vater ist in seiner Trance. Er sagte, Ihr dürftet Euch ihm anschließen, wenn Ihr Euch dabei ruhig verhaltet.«
»Dann sei ein gutes Mädchen und hilf mir aus den Stiefeln«, bat Conan und streckte ein Bein aus.
Mit den Stiefeln unter dem Arm, stahl sich Conan in das Gemach. Kushad saß wie zuvor mit überkreuzten Beinen, doch stand jetzt ein kleines Dreibein aus Messing vor ihm. Darauf ruhte eine flache Schüssel, in der fremdartige Substanzen schwelten. Eine dünne, grünliche Rauchfahne kräuselte hoch und wiegte sich wie eine gespenstische Schlange, die einen Ausgang aus dem dunklen Gemach suchte.
Conan setzte sich auf den Boden, um zuzusehen. Kushad starrte blicklos vor sich hin. Schließlich murmelte der Seher:
»Conan, Ihr seid nah. Antwortet nicht. Ich spüre Eure Anwesenheit. Ich sehe eine kleine Karawane eine sandige Steppe überqueren. Es sind – ich muß nähergehen – ja, es sind vier Esel, drei Pferde und ein Kamel. Ein Hengst, ein mächtiger Rappe, dient als Packpferd. Das muß Euer Egil sein. Das Kamel hat einen Baldachinsattel, deshalb kann ich nicht sehen, wer in ihm sitzt, aber ich vermute, es ist die Lady Jamilah.«
»Wo sind sie?« wisperte Conan.
»Auf einer scheinbar endlosen Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckt.«
»Ihre Pflanzen?«
»Karges Gras und ein paar Dornbüsche. Die Karawane zieht der untergehenden Sonne entgegen. Mehr kann ich nicht sagen.« Langsam löste der greise Seher sich aus der Trance.
Conan überlegte laut: »Offenbar durchqueren sie das Steppenland zwischen der Westgrenze von Turan und dem Kezankiangebirge, das an Zamora grenzt. Die turanischen Könige reden schon lange davon, dieses Niemandsland an sich zu bringen und die Nomaden und Gesetzlosen, die dort hausen, zu unterwerfen. Aber getan haben sie nichts. Die Entführer sind schnell vorangekommen. Sie haben bereits mehr als den halben Weg nach Zamora hinter sich. Ich bezweifle, daß ich sie selbst mit dem schnellsten Pferd noch einholen könnte, ehe sie ihre Heimat erreicht haben. Aber erwischen werde ich sie, um mir mein Pferd und mein Geld zurückzuholen – und wenn das nicht mehr möglich ist, um Rache an ihnen zu üben.«
»Sollte sich Euch die Möglichkeit bieten, Lady Jamilah zu befreien, so tut es. Das Königreich braucht sie!«
»Wenn ich sie zurückbringen kann, ohne dabei meinen Kopf in Gefahr zu bringen. Aber ich verstehe nicht, weshalb sollten Zamorier eine von Yildiz' Frauen entführen? Des Lösegelds wegen? Oder um den König zu ärgern? Wenn irgend etwas diesen unentschlossenen König zum Handeln bringen kann, dann dürfte es das sein. Und Turan ist weit mächtiger als Zamora.«
Kushad schüttelte den beturbanten Kopf.
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