Conan-Saga 05 - Conan und der Spinnengott
»Ich bin sicher, daß der König von Zamora nicht dahintersteckt. Mithridates kennt die Schwächen seines Reiches genausogut wie wir, außerdem ist er kaum mehr als ein Werkzeug der Priester. Der tiefe Schlaf, in den Harpagus Euch versetzte, läßt darauf schließen, daß Priester ihre Hand im Spiel haben. Seid Ihr entschlossen, nach Zamora zu reiten?«
»Allerdings.«
»Dann bleibt so lange in meinem Haus, bis ich Euch ein paar meiner Künste beigebracht habe.«
Conan runzelte die Stirn. »Bisher fand ich, daß eine gute Klinge immer noch ein besserer Schutz ist als magischer Mummenschanz.«
»Und wie war es in den Marschen von Mehar? Hat Euer starker Schwertarm Euch da nicht im Stich gelassen? Benutzt Euren Verstand, junger Mann! Als Ihr seinerzeit in Sultanapur stationiert gewesen seid, habt Ihr mir gestanden, wie sehr Ihr den Bogen als unmännliche Waffe verachtet hattet, ehe Ihr seinen Wert in Turan kennengelernt habt. So ähnlich wird es Euch ergehen, wenn Ihr die geistige Ausbildung hinter Euch habt, die ich Euch zu geben gedenke.«
»Ich werde Priestern und Zauberern aus dem Weg gehen«, knurrte Conan.
»Sicher, aber werden sie auch Euch aus dem Weg gehen? Wie könnt Ihr ihnen ausweichen, wenn Ihr Euch Euer Eigentum zurückholen wollt?«
Conan brummte: »Ich verstehe, was Ihr meint.«
»Dort, wohin Ihr wollt, braucht Ihr jeden Pfeil, der in Eurem Köcher Platz hat. Ihr fragt Euch, wie Harpagus und seine Mitverschworenen so leicht aus Turan entkommen konnten. Hätte eine Schwadron des Königs sie eingeholt, so hätten Harpagus und seine Begleiter ein Trugbild heraufbeschwören können, das die Verfolger in die entgegengesetzte Richtung gelockt hätte. Und das gleiche wären sie natürlich imstande mit Euch zu tun.«
»Uh!« Conan blickte ihn mißtrauisch an. »Was habt Ihr vor, mir beizubringen?«
Kushad lächelte. »Ich will Euch lediglich lehren, Euch gegen die okkulten Künste anderer zu schützen. Leider kann ich Trugbilder nicht mehr so gut aufbauen wie zu jener Zeit, als ich noch mein volles Augenlicht hatte, aber ganz hilflos bin ich deshalb noch lange nicht. Begleitet mich kurz in den Garten.« Als Conan dem Seher in den Blumen- und Gemüsegarten hinter dem Haus gefolgt war, drehte Kushad sich ihm zu und sagte: »Schaut mich an!«
Conan stellte überrascht fest, daß Kushads blinde Augen seine fast genauso zu bannen vermochten wie die scharfen Harpagus'. Kushad fächerte leicht mit der Hand vor des Cimmeriers Gesicht und murmelte dazu.
Plötzlich sah Conan sich in einem dichten Dschungel mit mächtigen, orchideenüberwucherten Bäumen, deren gewaltige Wurzeln sich über den Dschungelboden wanden. Ein Geräusch wie von einer Säge ließ ihn mit der Hand um den Schwertgriff herumwirbeln. Zehn Schritte entfernt hob ein gewaltiger Tiger den Kopf aus einem Büschel hohen Grases. Mit einem tiefen Knurren fletschte die Raubkatze die Zähne und offenbarte Fänge wie die Krummdolche der Zuagir. Und schon setzte sie zum Sprung an.
Conan riß seinen Krummsäbel aus der Scheide. Zu seinem Entsetzen spürte er etwas Lebendes in seiner Hand. Seine weit aufgerissenen Augen zeigten ihm nicht den turanischen Säbel, sondern den Hals einer sich windenden Schlange, die den Kopf verrenkte, um ihre spitzen Nadelzähne in des Cimmeriers Hand oder Handgelenk zu stoßen.
Conan schrie vor Ekel auf, schleuderte die Schlange von sich und warf sich zur Seite, um dem springenden Tiger auszuweichen. Seine Finger suchten den Dolch im Gürtel. Da er wußte, wie gering die Kräfte selbst des stärksten Mannes gegenüber der Riesenkatze waren, war er überzeugt, daß er dem Tod, dem er so oft ein Schnippchen geschlagen hatte, nun nicht mehr entgehen konnte ...
Und plötzlich war er wieder in Kushads Garten, wo er zwischen den Blütenstauden lag. Brummelnd stand er auf.
»Wißt Ihr jetzt, was ich meine?« fragte ihn der blinde Seher lächelnd. »Ich muß etwas vorsichtiger mit meinen Trugbildern sein. Ihr hättet mir fast den Kopf abgetrennt, als Ihr Euren Säbel von Euch geworfen habt. Nun, ich muß natürlich gestehen, daß Ihr durch Eure Erschöpfung von dem langen Marsch im Nachteil wart. Geht jetzt, Euer Bett ist gerichtet. Morgen fangen wir mit dem Unterricht an.«
»Seid Ihr bereit?« fragte Kushad, als die Sonnenstrahlen auf den Spalieren im Garten Fangen spielten. »Merkt Euch Eure Zahlen gut und prägt Euch das Bild dieses Gartens fest ein. Und jetzt seht!«
Kushad fächelte mit der Hand und murmelte.
Weitere Kostenlose Bücher