Conan-Saga 05 - Conan und der Spinnengott
wird, wenn Ihr ihm Euch versagt.«
»Es wäre mein Tod durch den Spinnengott«, antwortete das Mädchen düster. Conan bemerkte im Schein der untergehenden Sonne, wie bleich sie war. »Oder zumindest würde ich ausgepeitscht und zum untersten Rang im Tempeldienst erniedrigt werden. Wie ich es sehe, kann ich zwischen drei Möglichkeiten wählen: Erstens, mich Harpagus hingeben, und wenn ihm dann irgend etwas nicht gefällt, ende ich trotzdem in Zaths Bauch. Zweitens, mich dem Vikar widersetzen und ihn warnen, daß ich dem Hohenpriester von seiner Lüsternheit erzähle. Drittens, direkt zu Feridun gehen und ihm alles sagen. Aber ich bin sicher, wenn mein Wort gegen das des Vikars steht, wird er Harpagus eher glauben als mir.«
»Ihr habt eine vierte Möglichkeit außer acht gelassen«, sagte Conan. »Nämlich, mit mir von hier fortzugehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Darüber haben wir doch bereits gesprochen. Ich glaube, eher würde ich mich Zath stellen, als mich in ein Leben zu stürzen, wie Ihr es ausgemalt habt. Übrigens ist die Lage auch für Euch nicht ungefährlich, denn wenn Feridun glaubt, Ihr hättet eine Tempeljungfrau geschändet, wäre Euer Schicksal das gleiche wie meines.«
»Geschändet!« schnaubte Conan. »Eure Priester, wie andere Herrscher auch, machen strenge Gesetze für ihre Untertanen, während sie selbst tun, was ihnen beliebt.«
»Unter Feriduns Vorgänger, einem nimmersatten Lüstling, wurden die Gesetze kaum geachtet. Aber Feridun hält auf so strikte Sitten, daß allein schon der Anblick eines anderen, der sein Leben genießt, ihm als Unmoral erscheint. Doch was Harpagus betrifft – habt Ihr schon einen Entschluß für Eure eigene Zukunft gefaßt?«
Sie meinte damit: Willst du dein Abenteuerleben aufgeben und mein zahmer Gatte werden? Conan ballte die Fäuste und knirschte in seiner quälenden Leidenschaft mit den Zähnen, bis ihm ein Einfall kam, der ihm die nicht mehr gutzumachende Entscheidung aufschieben ließ. Er sagte:
»Kennt Ihr das Pulver des Vergessens?«
»Nein. Was ist es?«
»Ein Zaubermittel. Eine Hexe gab mir ein wenig davon. Staubt eine Prise davon Eurem Feind ins Gesicht, und er wird alles über Euch vergessen, als hätte er nie von Euch gehört. Wenn Ihr mit in mein Gemach kommt ...« Er unterbrach sich, als sie abwehrend die Hand hob. »Nein, ich verstehe. Ihr dürft dort nicht gesehen werden. Wartet hier.«
Bald kehrte er mit dem kleinen Beutel zurück, den Nyssa ihm geschenkt hatte. Er gab ihn dem Mädchen und sagte seufzend: »Ich könnte Euch wahrscheinlich lieben, Euch mit Zärtlichkeiten erfreuen, an die diese Tölpel hier überhaupt nicht denken.«
»Und was wird aus mir, wenn Ihr zu einer neuen Liebe und zu wilderen Abenteuern davongaloppiert und mich vielleicht auch noch mit einem vaterlosen Kind zurücklaßt?«
»Meine Dame«, schnaubte Conan, »Ihr könntet mit den Weisen auf Tempel- und Königshöfen debattieren – sie würden nicht gegen Euch ankommen. Wenn es ums Argumentieren geht, bin ich Euch gegenüber ganz klein.«
»Ihr habt einen schärferen Verstand, als Ihr glaubt. Euch fehlt nur die Ausbildung.«
»Ich bin im Umgang mit Klingen, Bogen und Pferden ausgebildet, nicht im Fechten mit Worten.«
»Dagegen läßt sich etwas tun. Darius, der junge Priester, unterrichtet Kinder. Er würde auch Euch als Schüler aufnehmen.«
»Bei Crom, Mädchen!« fluchte Conan. »Versucht Ihr, mich umzukrempeln? Das werde ich nicht dulden!«
Als sie des Streitens müde wurden, begleitete Conan Rudabeh zur Tempeltür. Die nächtlichen Straßen waren verlassen, da drückte Conan das Mädchen plötzlich wild an sich und küßte sie heiß. »Komm mit mir!« bat er mit leidenschaftlicher Stimme.
Sanft sagte sie, nachdem er sie losgelassen hatte: »Ich muß zugeben, Nial, daß es mir nicht schwerfallen würde, dich zu lieben – nur täte ich es bloß, wenn du mir gestattetest, dich ›umzukrempeln‹, wie du es nennst. Damit meine ich, daß du dein wildes Leben, deine Abenteuerlust aufgeben und dich als gesetzter Ehemann und Familienvater in Yezud niederlassen müßtest.«
»Für keine andere würde ich auch nur einen Gedanken daran verschwenden. Aber für dich – nun, ich werde es mir überlegen.«
Am nächsten Morgen gab Conan Lar den Tag frei, denn er wollte an etwas arbeiten, von dem der Junge nichts wissen sollte. Am Nachmittag hatte er sein Enterwerkzeug mit drei Haken fertiggestellt und befestigte gerade das in Kharshoi erstandene Seil
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