Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
Gemach, das man ihm zugewiesen hatte, verriet, daß es leer war. Vorsichtig öffnete Conan das Paneel erst einen Spalt, und als er noch einen Blick hindurch geworfen hatte, ganz.
»Sie müssen das Mädchen entdeckt haben«, flüsterte er Antar zu. »In ihre Zelle haben sie sie nicht zurückgebracht. Wo könnte sie sein?«
»Ungehorsame Sklavinnen läßt der Magus gern in seinem Thronsaal züchtigen, wo er dich empfing.«
»Führ mich dorthin – was war das?«
Das gleiche gedämpfte Trommeln, das er in der Kluft gehört hatte, war wieder zu vernehmen. Er wirbelte herum. Auch jetzt schien es direkt aus dem Erdboden zu kommen. Die Zuagir erbleichten und blickten einander verstört an.
»Das weiß niemand«, beantwortete Antar, sichtlich schaudernd, Conans Frage. »Dieses unheimliche Trommeln begann vor Monaten und wurde seither immer häufiger und lauter. Als es das erstemal zu hören war, stellte der Magus die ganze Stadt auf den Kopf, um seinen Ursprung zu ergründen. Aber der war nicht zu finden. Daraufhin befahl er, nicht auf das Trommeln zu achten und schon gar nicht davon zu sprechen. Man raunt, daß er des Nachts in seinem Zaubergemach durch Magie versucht, die Quelle dieses gespenstischen Geräusches zu finden. Doch niemand weiß, ob es ihm inzwischen gelungen ist.«
Während Antar sprach, hatte das Trommeln aufgehört. »Also, führ mich jetzt zum Thronsaal. Ihr anderen schließt euch uns an und benehmt euch, als hättet ihr das Recht, hier zu sein, aber verhaltet euch möglichst ruhig. Einige der Palasthunde werden wir auf diese Weise schon täuschen«, sagte Conan.
»Der günstigste Weg wäre der durch den Paradiesgarten«, meinte Antar. »Vor dem Hauptportal zum Thronsaal ist des Nachts eine ganze Abteilung Stygier postiert.«
Der Korridor vor der Tür des Schlafgemachs war leer. Die Zuagir schritten voraus. Der Palast des Magus wirkte zur Schlafenszeit noch geheimnisumwobener. Lampen brannten gedämpft, Schatten verhüllten Ecken und Nischen, kein Lüftchen bewegte die schwach schimmernden Wandbehänge.
Die Zuagir waren mit dem Weg wohlvertraut. Auf leisen Sohlen und mit funkelnden Augen stahlen sie sich wie Diebe durch die prunkvollen Hallen und Gänge, von denen sie wußten, daß sie zur Nachtzeit kaum benutzt wurden. Sie begegneten auch niemandem, bis sie zu einer vergoldeten, verriegelten Tür kamen. Vor ihr standen zwei riesenhafte schwarze Kushiten mit blanken Tulwars Wache.
Beim Anblick der unerwarteten Eindringlinge hoben die Kushiten die Waffen – schweigend, denn sie waren stumm. Die Zuagir warfen sich auf sie und rissen sie zu Boden. Gegen diese Übermacht hatten die beiden Wachen keine Chance. Sie hauchten ihr Leben aus.
»Du hältst hier Wache!« befahl Conan einem Zuagir. Er öffnete die Tür und trat hinaus in den nächtlich leeren Garten. Die Blüten schimmerten silbrig im Sternenschein und betonten so die geheimnisvolle Düsternis der dichten Büsche und hohen Bäume. Die Zuagir, die den Schwarzen die Säbel abgenommen hatten, stolzierten hinter ihm her.
Conan hielt Ausschau nach dem Balkon, von dem er wußte, daß er über den Garten herausragte, jedoch durch Zweige von unten getarnt war. Er entdeckte ihn. Er kletterte auf Rücken und Schultern von drei Zuagir. Das Fenster, durch das er und Virata geblickt hatten, war schnell erreicht.
Hinter dem Vorhang, der den Balkonalkoven verbarg, waren das angsterfüllte Schluchzen einer Frau und des Magus Stimme zu hören.
Conan spähte durch einen Vorhangspalt. Virata ruhte auf dem Thron unter dem perlenbestickten Baldachin. Diesmal standen seine Wachen nicht wie Ebenholzfiguren neben ihm. Sie kauerten mitten auf dem Boden vor der Plattform, wetzten Messer und erhitzten Foltereisen in einem Feuerbecken. Nanaia, die gespreizten Arme und Beine an Pflöcke im Boden gebunden, lag vor ihnen. Niemand sonst befand sich im Thronsaal. Die bronzene Flügeltür war verriegelt.
»Sag mir, wie du aus der Zelle entkommen bist!« befahl Virata.
»Nein! Niemals!« Um ihren Mut nicht zu verlieren, grub sie die Zähne in die Unterlippe.
»Hat Conan dich befreit?«
»Hast du mich gerufen?« fragte der Cimmerier, während er mit grimmigem Lächeln aus dem Alkoven trat.
Virata sprang mit einem Schrei hoch. Die Kushiten richteten sich auf, knurrten und griffen nach den Waffen.
Mit einem Satz hatte Conan den linken Mann erreicht und stach ihm den Dolch in die Kehle, ehe er seinen Säbel ziehen konnte. Der andere stürzte auf das Mädchen zu und hob
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