Conan-Saga 14 - Conan der Schwertkämpfer
verstehen konnte, wuchs seine Unruhe. Sein stygisches Blut flüsterte ihm zu, daß etwas passieren würde.
Das elfenbeinerne Idol mit dem Totenschädel begann mit glockenklarer Stimme zu sprechen: »Hüte dich, o König, vor den stygischen Ränken. Hüte dich, o Lalibeha, vor den Komplotten der Gotteslästerer aus fernen finsteren Landen. Der Mann neben dir ist kein Freund. Er ist ein glattzüngiger Verräter, der sich aus Keshan hergestohlen hat, um deinen Untergang vorzubereiten.«
Mit finsteren Gesichtern hoben die puntischen Krieger ihre Speere mit den Federbüschen an den Schäften und ließen kein Auge mehr von Thutmekri und seinem Gefolge. Die Stygier drängten sich zusammen. Die Speerkämpfer bildeten einen kreisrunden Schildwall. Die Shemiten hinter ihnen griffen über ihre Schultern, bereit, Pfeile aus den Köchern zu ziehen. Jeden Augenblick mochte es zum erbitterten Kampf kommen.
Thutmekri verharrte wie erstarrt. Etwas an dieser Stimme kam ihm bekannt vor. Er hätte schwören mögen, daß es die Stimme einer jungen Frau war, die versuchte, älter zu klingen, und auch, daß er sie schon gehört hatte.
»Wartet, O König!« rief er. »Man will Euch täuschen ...«
Aber die Stimme, die von der Statue zu kommen schien und ohne Unterbrechung fortfuhr, verlangte jedermanns Aufmerksamkeit. »Nimm als deinen General statt dessen Conan den Cimmerier. Sein Weg siegreicher Kämpfe führt vom ewigen Schnee Vanaheims zu den Dschungeln von Kush; aus den Steppen Hyrkaniens zu den Pirateninseln im Westlichen Ozean. Die Götter sind ihm hold und stehen auf seiner Seite. Er allein kann deine Legionen zum Sieg führen.«
Als die Stimme verklang, trat Conan aus der kleinen Kammer mit der verborgenen Tür. Mit einem Gefühl für Dramatik schritt er in majestätischer Haltung vor die Statue und verbeugte sich förmlich, erst vor König Lalibeha, dann vor seinem Hohenpriester.
»Dieser Teufel!« knurrte Thutmekri. Mit wutverzerrtem Gesicht befahl er seinen Bogenschützen: »Spickt mir den Halunken!«
Als ein halbes Dutzend Shemiten Pfeile aus ihren Köchern zog, machte Conan sich daran, hinter die nächste Säule zu springen, denn aus dieser Entfernung gäbe er ein unfehlbares Ziel für eine Pfeilsalve ab. Der König öffnete den Mund zu einem Befehl.
In diesem Augenblick knarrte und ächzte die Elfenbeinstatue. Sie beugte sich vornüber und stürzte krachend die Stufen des Podests hinunter. Wo sie sich befunden hatte, stand nun eine Frau, die aller Augen auf sich zog.
Wie die anderen starrte auch Conan sie an. Es war Muriela – und doch nicht sie. Dieser Eindruck wurde nicht durch das schimmernde knöchellange Gewand und ein paar Tupfer Farbe hervorgerufen. Diese Frau war wie eine verwandelte Muriela, größer, hoheitsvoller, ja sogar schöner. Die Luft um sie schien in einem ungewöhnlichen violetten Licht zu schimmern, und die Atmosphäre in der Tempelhalle knisterte vor Spannung. Auch die Stimme dieser Frau war weder Murielas heller Sopran noch das glockengleiche Klingen, das sie als Göttin vorgetäuscht hatte. Es war eine tiefere, hallendere Stimme – eine Stimme, die den Boden unter den Füßen wie die Saite einer Leier schwingen ließ.
»O König! Wisse, ich bin die wahre Göttin Nebethet, wenn auch im Leib einer Sterblichen. Zweifelt einer von euch daran?« Ihr Blick überflog die Anwesenden.
Thutmekri, der vor Wut nun völlig außer sich war, befahl einem seiner Shemiten: »Erschieß sie!«
Als der Mann den Bogen spannte und über den Kopf des vor ihm knienden Speerkämpfers zielte, lächelte die Frau und deutete mit einem Finger. Ein Blitz zuckte, und der Shemit fiel tot zwischen die Kameraden.
»Glaubt ihr mir jetzt?« fragte sie.
Keiner brachte auch nur einen Laut hervor. Alle in der Tempelhalle – König, Priester, Krieger, die Abenteurer Conan und Thutmekri – sanken auf die Knie und beugten tief die Köpfe. Die Göttin fuhr fort:
»Wisse, o König, daß diese beiden Schurken, Thutmekri und Conan, sich an dir bereichern möchten, genau wie sie es in Keshan versuchten, doch an den Priestern dort scheiterten. Der Stygier soll den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen werden. Der Cimmerier verdient vielleicht kein besseres Geschick, aber ich möchte, daß für ihn Gnade vor Recht ergeht, denn er war gut zu der Frau, deren Leib meine Hülle ist. Gib ihm zwei Tage, dein Königreich zu verlassen, wenn nicht auch er den Rachen der Reptilien anheimfallen will.
Doch noch eines ist mein Geheiß, o König.
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