Conan-Saga 19 - Conan von Aquilonien
groß und gebieterisch gewesen war, war zusammengefallen und gebeugt. Sein kahlgeschorener Schädel und das feste, raubvogelgleiche Gesicht war hart und majestätisch gewesen. Jetzt war es fast nur noch Haut und Knochen und gemahnte so an einen Totenkopf. Das geblichene, zerrissene grüne Gewand wirkte im Mondschein grau.
Eine runzlige Hand umklammerte klauengleich, an die knochige Brust gedrückt, einen Edelsteintalisman. Den Mittelfinger dieser Hand schmückte ein schwerer Kupferring in Form einer Schlange, die sich in den Schwanz biß. Ein gespenstisches Feuer, das von dem Edelstein ausging, warf seinen flackernden Schein auf das eingefallene Gesicht. Aus tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen starrte Thoth-Amon auf Conan. Nicht zum erstenmal spürte der Cimmerier diesen unheimlichen, bannenden Blick auf sich.
»So treffen wir uns wieder, Hund aus Cimmerien!« sagte Thoth-Amon mit dünner Stimme.
»Zum letztenmal, Schakal von Stygien!« knurrte Conan.
Man hatte ihm die Waffen genommen, doch die Kraft, die in seinen muskulösen Armen und Schultern schlummerte, genügte, den morschen, gebeugten Körper seines Erzfeindes zu brechen. Doch Conan verharrte reglos. Er kannte die Mächte, die Thoth-Amon mit einem Wort, einem Zeichen und seinem Willen herbeizubeschwören vermochte. Er wartete ab.
Es interessierte ihn sehr, zu erfahren, weshalb der Zauberer ihn hierher auf diesen Strand am Rand der bekannten Welt geschafft hatte. Während er in seinem unnatürlichen Schlummer hilflos gewesen war, hätte Thoth-Amon ihn mit Leichtigkeit töten können. Statt dessen hatte er ihn am Leben gelassen und mit Hilfe von unsichtbaren Dämonen, die ihm immer noch dienten, hierhergebracht. Warum?
Wie als Antwort auf Conans ungestellte Frage, begann der Hexer mit müder, kraftloser Stimme langsam zu sprechen, als schwelte nur noch eine Spur von Leben in seinem ausgemergelten Leib. Doch während er sprach, gewann seine Stimme an Kraft, bis sie wieder der gewaltigen, hallenden von früher glich. Mit auf der Brust überkreuzten Armen und reglosem Gesicht lauschte ihr Conan unbewegt.
»Du hast mich durch die ganze Welt gejagt, barbarischer Hund«, grollte Thoth-Amon. »Einen nach dem anderen meiner mächtigsten Verbündeten hast du mir genommen. Bei Nebthu hast du mit Hilfe dieses betrunkenen Narren von Druiden den Schwarzen Ring gebrochen und die Zauberer des Südens besiegt – ebenso, wie du die Weiße Hand im kahlen eisigen Hyperborea vernichtet hast. Durch Glück und die Unterstützung des Schicksals hast du Nenaunirs Thron gestürzt. Jetzt gibt es kein weiteres Reich mehr, in dem ich Zuflucht finden könnte.«
Conan schwieg. Thoth-Amon seufzte, zuckte die Schultern und fuhr fort.
»Hier am Rand der Welt hausen die Überlebenden des alten Schlangenvolks, das einst, vor dem Menschen, über diese Erde herrschte. Die frühen menschlichen Reiche kämpften gegen die Schlangenwesen und brachen ihre Macht. Als sie mit Hilfe von Täuschung weiter unter den Menschen leben wollten, entdeckte dein Vorfahr, Kull der Eroberer, ihr Geheimnis und schlug sie erneut.
Lange schon wußte ich, daß die letzten Herrscher der älteren Welt hier im Verborgenen lebten, doch nie die Hoffnung aufgaben, ihren rechtmäßigen Platz, wie sie es glaubten, im großen Gefüge wieder einnehmen zu können. Von ihnen erfuhr ich, was ich wissen mußte, um zum Vikar Sets im Westen zu werden und mit der Mission der abscheulichen Verehrung von Mitra, Ischtar und Asura ein Ende zu machen. Gleichzeitig hielt ich die Schlangenkreaturen in Schach, da mir ihre Unersättlichkeit wohlbekannt war und ich nicht den Wunsch hatte, meine Herrschaft mit den Kindern der Schlange zu teilen.
Dir allein verdanke ich die Vereitelung all meiner Pläne. Wie du das fertiggebracht hast, weiß ich nicht. Du bist weder Priester, noch Prophet, noch Zauberer. Du bist nichts weiter als ein grober, unwissender, rauher Abenteurer, den die Wellen des Geschicks eine Weile auf ihren Kamm hoben. Vielleicht haben dir auch eure entarteten, verweichlichten westlichen Götter irgendwie geholfen. Mir hast du jedenfalls alle Hoffnung zerschlagen, hast mich von meinem hohen Thron als Oberhaupt des weltweiten Bundes der Magier gestürzt und mich, der ich zum Eroberer des ganzen Westen hätte werden können, zum ruhelosen Flüchtling gemacht.
Doch noch ist nicht alles verloren! Ich werde Set deine unsterbliche Seele opfern. Ein Festmahl wird diese lebende Seele Conans, des Cimmeriers, für den
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