Conan-Saga 32 - Conan der Champion
einem bösen Sturz und – was noch schlimmer gewesen wäre – vor dem Verlust seiner Würde bewahrte.
Er hatte eine weibliche Ausgabe des häßlichen Zwerges Hugin erwartet. Statt dessen saß da eine junge, bildschöne Frau. Sie trug auch nicht so ein rauhes Gewand wie der Niblung, sondern gar keine Kleidung. In Leovigilds Kopf drehte sich alles vor Aufregung und Verwirrung.
»Setz dich zu mir!« sagte die Frau noch belustigter als vorher.
Leovigild gehorchte. Obwohl er sich größte Mühe gab, konnte er kein Auge von der Frau wenden. Noch nie hatte er eine solche Frau getroffen, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß sie splitterfasernackt war. Ihr Haar war rabenschwarz, was im Norden selten war, ihre Haut aber so hell und zart, daß sie beinahe durchsichtig war. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht mit hohen Backenknochen und große, schräggestellte Augen in der Farbe von Smaragden. Ihr Körper war zierlich, aber mit vollen Brüsten und wohlgerundeten Hüften unter der schmalen Taille.
Leovigild mußte mehrmals schlucken, ehe er seine Stimme wiederfand. »Ich – äh – danke Euch für die freundliche Einladung, Herrin.«
In seinem ganzen Leben war er sich noch nie so dumm vorgekommen. Dann überlegte er, wie sie sich vor dem Erfrieren schützte. Na schön, im Tal war es etwas wärmer als in den Wäldern draußen; aber doch so kalt, daß selbst er als zäher Nordmensch nicht ohne dicken Umhang auskam.
»Du scheinst dich aber gar nicht wohl zu fühlen«, sagte sie.
»Verzeiht, aber dort, wo ich herkomme, begegnet man nicht oft nackten Frauen.« Von Galanterie hielt man im Norden nicht allzuviel.
»Oh, ich verstehe. Sei unbesorgt, meine Rasse leidet nicht so unter der Kälte wie deine.«
Leovigild verspürte den dringenden Wunsch, das Thema zu wechseln. »Hugin sagte mir, daß Ihr mir vielleicht bei ein paar Fragen helfen könnt, die mich belasten. Ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ich wäre für jede Hilfe dankbar.«
»Und in welcher Form willst du diesen Dank abstatten?« Ihre grünen Augen waren unergründlich. Er wußte nicht, ob sie sich über ihn lustig machte oder die Worte ernst meinte. Ihr Gesicht war ernst, aber auch das konnte Spott verbergen.
»Wie Ihr seht, besitze ich nicht viel«, erklärte er. »Aber was ich habe, gebe ich Euch gern.«
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich werde nichts von dir verlangen, was du mir nicht gern gibst.«
Sie nahm einige Borkenstücke aus einem Korb und warf sie auf die Glut in dem kleinen Steinherd. Eine duftende Rauchwolke stieg auf. Sie atmete tief ein.
Der Rauch kratzte Leovigild in der Nase, als er ihn ebenfalls einsog. Eine ungewohnte Benommenheit überfiel ihn. Mit tränenden Augen blinzelte er und sah die Frau mit neuer Klarheit, als sei das Licht stärker geworden.
»Wie heißt du?« fragte er ungehobelt.
Sie hatte die Augen geschlossen. Jetzt öffnete sie sie. Ihr Smaragdblick schien in weite Fernen zu reichen. »Meinen wahren Namen darfst du nicht kennen, denn das würde dir Macht über mich verleihen. Du kannst mich Atalia nennen. Ich gehöre zu einer Rasse, die so alt ist wie die Hugins. Während sein Volk aus Erde und Wasser ist, sind meine Elemente Luft und Feuer. Uns sind Geheimnisse der Vergangenheit und der Zukunft offenbar. Frage mich jetzt!«
Leovigild hatte schon von Hexen und Seherinnen gehört, die die Zukunft weissagten und Zauberkunst ausübten, hatte sie aber bisher eher für Scharlatane oder Halbirre gehalten. Diese Frau war anders. Obwohl Antlitz und Gestalt so schön waren, wie er es nie hätte träumen können, war sie ihm doch so fremd wie der Zwerg Hugin. Vielleicht verfügte sie wirklich über die Gabe der Prophetie? Aber was sollte er sie fragen? Seine Zukunft interessierte ihn; aber die Märchen seines Volkes waren voll von Helden und Königen, denen ihr Untergang geweissagt worden war und die alles in ihrer Macht mögliche taten, um die Katastrophe abzuwenden. Unweigerlich waren die Handlungen, die sie ausführten, um ihrer Vernichtung zu entgehen, solche, die sie nur beschleunigten.
Die Götter wollten eben nicht, daß die sterblichen Menschen zuviel über ihre Zukunft wußten. Die Vergangenheit kümmerte ihn nicht. Doch gab es in der Gegenwart viel, das ihn verwirrte. Vielleicht würden Vater Ymir und die niedrigeren Götter nichts dagegen haben, wenn er sich etwas Kenntnis verschaffte, wie die Dinge außerhalb dieses kleinen Tales standen.
»Wo ist Alcuina, die Königin der Cambrer?« fragte er.
Atalias
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