Conan-Saga 47 - Conan das Schlitzohr
verbargen beinahe die mit Dornen besetzten Lederbänder um die Hälse.
Der Priester löste einen großen Schlüssel vom Gürtel und steckte ihn ins Schloß. Mühelos öffnete sich die Tür. Ihre Angeln waren gut geölt. »Bringt Lampen!« befahl der Priester den Sklaven. Gleich darauf bewunderten Conan und sein Gefährte die Kunstschätze: Juwelenbesetzte Schwerter, erlesene Porträts, kleine Statuen, aus kostbaren Steinen geschnitzt, und mannigfaltiger Schmuck. Am Ende des Gewölbes befand sich eine weitere Tür. Das hatte Conan erwartet. Sie war schließlich der Hauptgrund dafür, daß er den Tempel hatte sehen wollen.
»Was ist hinter dieser Tür?« fragte er.
»Nur der Fluß«, antwortete der Priester. »Manchmal muß man Waren herein- oder hinausschaffen, ohne die Obrigkeit unnötig zu belästigen – wenn du weißt, was ich meine. Nun, meine Herren, seht ihr irgend etwas, das ihr gern hättet?«
Piris streichelte liebevoll die Statue eines sich aufbäumenden Löwen mit Rubinaugen. »Oh, hier gibt es viele bemerkenswerte Stücke. Sei gewiß, daß ich wiederkommen und dir bei einigen ein Angebot unterbreiten werde. Doch im Augenblick suche ich eine ganz bestimmte kleine Statue. Sie ist aus einem seltsamen schwarzen Stein geschnitzt und anders als alles, was du bisher gesehen hast. Sollte dir dieses einzigartige Stück begegnen – möglicherweise bereits in den nächsten Tagen –, dann wäre es für dich äußerst lohnend, wenn du uns benachrichtigen würdest.«
»Aha, ein ganz bestimmtes Stück!« meinte der Priester und lächelte verständnisinnig. »Man bittet mich häufig, nach einem ganz bestimmten Kunstwerk Ausschau zu halten, das ein anderer ebenfalls kaufen möchte. Bis jetzt habe ich eine solche Statue noch nicht gesehen, doch werde ich euch umgehend verständigen, sollte sie mir über den Weg laufen. Früher wäre das zwangsläufig geschehen, doch alle diese Stümper, die in letzter Zeit in die Stadt gekommen sind, haben das Geschäft gründlich verdorben. Wo kann ich euch erreichen, liebe Herren?«
Piris nannte den Namen der Herberge, und die beiden fachsimpelten über den nicht ganz legalen Erwerb von Kunstschätzen. In der Zwischenzeit untersuchte Conan das Gewölbe. Die Wände waren aus Ziegel gemauert, aus denen keinerlei Feuchtigkeit austrat, was bedeutete, daß sie sich über dem Wasserspiegel des Flusses befanden.
Schon als er gehört hatte, der Tempel schließe an die Flußmauer an, war ihm klar, daß es einen Zugang zum Fluß geben mußte. In der Vergangenheit, als Sicas von verantwortlicheren Statthaltern als Bombas regiert wurde, hatten die Priester des Tempels einen bequemen Weg gebraucht, um die unrechtmäßig erworbenen Güter zu transportieren.
Conan hatte bereits vor langer Zeit gelernt, daß es unklug war, ein Haus zu betreten, ohne sogleich festzustellen, wo sich alle Ausgänge befanden. Das gleiche galt auch für Städte. In einer heiklen Situation half es, einen Weg aus der Stadt zu kennen, ohne die Stadttore benutzen zu müssen.
Nachdem Conan und Piris alles im Tempel erledigt hatten, gingen sie wieder hinaus auf die engen Straßen der Grube. Die beiden waren schon ein seltsames Paar: der hünenhafte, barbarisch aussehende Cimmerier und der kleine, zarte, weibische Zamorer. Doch in der Grube ernteten sie kaum einen zweiten Blick. Die Bewohner der Grube waren selbst selten gewöhnliche Bürger.
In einer verwinkelten Gasse bemerkte Conan plötzlich, daß sie verfolgt wurden. Dies hier war die Grube, nicht der große Platz. Hier forderte niemand ihn zu einem offenen Kampf heraus. Wortlos fuhr der Cimmerier herum und riß das Schwert aus der Scheide. Die Männer hinter ihm blieben verblüfft stehen. Conan war überrascht, daß der kleine Piris nicht in Panik geriet und auch nicht fortlief, sondern blitzschnell ein langes, dünnes Stilett hervorzog.
»Wessen Hunde seid ihr?« rief Conan. Der eine Mann trug Ingas rotes Lederwams, doch die anderen fünf waren normale Totschläger aus der Grube. Alle hatten ihr Schwert gezückt. Dann sah Conan, daß jemand von einem Dach aus alles beobachtete. Doch hatte er keine Zeit, sich um den ungebetenen Zuschauer zu kümmern.
»Welche Rolle spielt das denn?« fragte der eine Halunke, dessen Wollmütze die Löcher knapp bedeckte, wo sich einst die Ohren befunden hatten. »Du und dein niedlicher Freund werden Fischfutter sein, ehe es dunkel wird.«
»Um solche Schurken zu erledigen, habe ich dich eingestellt, Cimmerier«, sagte Piris.
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