Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
nachzusehen, wie es dir und dem Tempel geht. Deine Gesundheit ist offensichtlich so gut wie eh und je. Die Jahre haben es gut mir dir gemeint.«
»Madesus.« Der alte Mann trug weite, strahlend weiße Gewänder und sprach mit tiefer, aber aufgrund seines Alters etwas brüchiger Stimme. Seine grünen Augen strahlten wie Smaragde aus dem blassen, runzligen Gesicht. Bis auf wenige weiße Haarbüschel über den Ohren war er kahlköpfig. Um den Hals trug er ein Amulett, das dem Madesus ähnlich war: Ein Stern mit sieben Zacken, den in der Mitte ein vielfacettiger Amethyst krönte. Kaletos stützte sich auf einen Birkenstab, der dem von Madesus ähnelte, doch war sein Stab durch die Jahrzehnte etwas verbogen, in denen er das Gewicht des verehrungswürdigen Priesters trug.
»Meister?« fragte Madesus zögernd.
»Verzeih mir, Madesus, daß ich ungebeten bei dir eindringe. Der kalte Mond von Derketho ist seit unserem Abschied bereits sechzigmal gewachsen und geschwunden, und während dieser Zeit ist die Neugier eines alten Mannes immer größer geworden. Deine Stirn ist sorgenumwölkt. Was beunruhigt dich, mein junger Freund?«
Madesus war immer noch benommen und mußte sich von der Überraschung erholen, seinen alten Lehrer plötzlich vor sich zu sehen. »Ich habe in letzter Zeit sehr schlecht geschlafen, Meister. Ich befürchte, eine uralte böse Macht ist in dieser Stadt aufgewacht. Dieser Gegenstand ...«, er zeigte auf den silbernen Armreif auf dem Tisch, »... ist irgendwie damit verbunden. Ich habe um Rat und Hilfe gebeten, doch der heilige Mitra hielt mich in der vergangenen Nacht nicht für würdig genug, um mich zu erhören. Wie seltsam, doch wie günstig, daß du ausgerechnet jetzt in der Stadt erscheinst, wo ich dich dringend brauche. Doch möchte ich dich nicht mit meiner Bitte um Beistand belästigen. Schließlich betrifft die Angelegenheit allein mich. Wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen, Meister? Was gibt es Neues aus dem Tempel in Corinthien?«
»Die Last vieler Jahre liegt schwer auf meinen Schultern, Madesus. Im Tempel ist alles in Ordnung. Aber ich wollte sehen, wie es dir seit unserer Trennung ergangen ist, ehe Mitra endlich meine müden Gebeine zur Ruhe bettet und sich meine Seele holt. Du warst mein bester Schüler, und die Bürde, die ich dir bei deinem Abschied auferlegt habe, war groß. Du hast keinen leichten Pfad gewählt. Ich bin ihn viele Jahre lang gegangen, bis der heilige Mitra, in einer unergründlichen Weisheit, mich zum Tempel in Corinthien führte, wo ich dich in den uralten und geheimen Orden von Xuoquelos einführte. Im Laufe der Zeit wirst du dann einen anderen jungen Mann unterweisen – so ist es seit unzähligen Jahrhunderten gewesen. Du bist der Letzte eines Ordens, der über die Welt seit der Zeit des Lemurischen Imperiums gewacht hat.«
Nach kurzer Pause fuhr der Greis fort: »Du bist hierher, in diese Stadt, aus einem ganz bestimmten, doch jetzt noch nicht erkennbaren, Grund geführt worden. Werfe deine Bedenken wegen deiner ›Unwürdigkeit‹ beiseite! Und mach dir keine Sorgen, daß du einen alten Toren ›belästigen‹ würdest! Gib mir den Armreif! Laß uns gemeinsam den Schleier lüften, welcher das Antlitz des Bösen vor uns verhüllt! Dieser schlichte Fußboden wird als Brunnen dienen, aus dem das Wissen, das wir suchen, fließen wird, wenn Mitra es will. Bereite das Ritual des Brunnens vor!«
Madesus trat zu einem Tonkrug in der Ecke der Kammer und holte mit der hölzernen Schöpfkelle Wasser heraus, das er auf dem Fußboden des kleinen Raums so verteilte, daß eine dünne, ovale Pfütze entstand. Er hängte den Schöpflöffel wieder an den Krug, nahm den silbernen Armreif und reichte ihn Kaletos. Der alte Mann ergriff das Schmuckstück und betrachtete es aufmerksam von allen Seiten. Dann schloß er die Augen und runzelte konzentriert die Stirn. Wenige Minuten danach erschien eine silbrige Wolke, die seine Hand mit dem Armreif und dann den ganzen Arm einhüllte. Während die schimmernde Silberwolke größer wurde, begann sein Amulett, gleich einem Stern mit sieben Zacken in dunkler Nacht, zu erstrahlen. Vom Amethyst aus richtete sich ein weißer Lichtkegel auf die flache Pfütze. Das Wasser begann zu dampfen.
»Betrachte genau die Vision im Teich!« rief Kaletos. »Doch betrachte sie mit Vorsicht; denn oft führen die Visionen dieses Brunnens auf Irrwege!«
Madesus erblickte durch den Dampf hindurch auf der Wasseroberfläche ein uraltes, steinernes
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