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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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menschlichen Kontakte der Chang-Besatzung zu festigen und zu vertiefen seien, natürlich, wie er sagte, auf angemessenem Niveau.
      Wie ich befürchtet hatte, wollte er die Kiste öffnen lassen, die auch noch heute jedes Mobil, das längere Touren unternimmt, mitführen muß: die Kulturkiste, die es in drei verschiedenen Größen gibt. Und unser Chang schleppte die größte Nummer mit, einen Container aus Aluminium, beschlagen mit altertümlich geformten Plastbändern und schnörkeligen Schlössern.
      Ich bemerkte, als Mittelzwerck die Öffnung forderte, wie Kapitän Jon Nickelsen erblaßte.
      Nein, sagte er zu mir, jetzt schon die Kiste öffnen, das kann nichts Gutes bringen. Die Kiste öffnet man nicht eher, bevor man wieder zu Hause anlegt oder landet. Man muß zumindest schon den Kai oder die Piste sehen. Am besten ist es, und so halte ich das immer, wenn man sie öffnen läßt, nachdem die Landung glücklich verlaufen ist. Man öffnet sie und wühlt ein bißchen drin und gibt den Reisenden zum Abschied etwas vom Inhalt in die Hand, spielt vielleicht noch ‘ne Kassette ab, solche, auf der die Stücke sind, die früher, als sie geschrieben wurden, lustig geklungen haben sollen, die damals flotte Schlager waren und heute Trauerstücke sind. Kulturell wertvoll eben. Auf angemessenem Niveau, was niemals lustig sein kann. Aber man spielt ein Stück davon herunter, wenn sich die Leute von Bord begeben. Dann hat man seine Pflicht getan. Man kriegt die Punkte, die für Benutzung der Kiste vorgesehen sind, die Prämie kommt, die zwar nicht hoch ist, aber ausreicht, um mit der Mannschaft einen Tüchtigen zu saufen. Auch das Ansehen ist gerettet. Man steht nicht als Banause da, die Mannschaft des Mobils XY war kulturell und geistig auf der Höhe unserer Zeit.
      Das liest sich gut, und so geht es am friedlichsten. Man kann natürlich auch vorher schon die Kiste öffnen und, wenn man gerade nichts anderes zu tun hat, den Inhalt teilweise im Meer versenken. Aber wir wollen unsere Meere doch nicht noch mehr mit Fremdstoffen vollschütten, zum Beispiel mit den Farbtöpfen und -tuben und diesen Knetmassen für künstlerische Selbstbetätigung oder den Plastiken, ich meine, mit diesen Liegenden und Hockenden, sich Waschenden und diesen artistisch verschlungen Vögelnden. Obwohl man sagen könnte, es liegen ja auch andere versunkene Kulturen auf dem Meeresgrund. Aber ich öffne diese Kiste immer erst nach der Rückkehr. Sie vorher öffnen wäre so, als ob man sich vorher zu seinem Geburtstag gratulieren lassen würde oder vorher die glückliche Rückkehr feiern. Sie jetzt zu öffnen, das rieche ich, zieht Unglück auf uns.
      Nun, fragte Mittelzwerck, stimmt etwas nicht, ist sie vielleicht nicht mehr vollinhaltlich?
      Doch, sagte Nickelsen, aber es ist verfrüht.
      Wir sind bereits zwölf Wochen und vier Tage unterwegs, ohne uns kulturellen Dingen zugewandt zu haben. Im Grunde ein erstaunliches Phänomen, denn wie errechnet wurde, hält es der heutige Mensch höchstens drei Tage ohne Beschäftigung mit Kultur aus. Dann wird es aber kritisch.
      Das mag schon stimmen, sagte Nickelsen, aber ohne die Sachen, die in der Kiste sind, kommt er sehr gut zureckt, er kann es Jahre aushalten, und Reisende, die niemals einer Kistenöffnung beiwohnten, sind trotzdem gesund geblieben. Das sind Erfahrungswerte.
      Und warum sollen wir jetzt nicht die Kiste öffnen?
      Man macht das nicht.
      Das ist doch lächerlich. Ich gebe zu, ich selbst habe noch nie erlebt, daß während einer Fahrt die Kiste aufgeschlossen wurde, aber bei meiner Unternehmung soll es geschehen. Das ist nämlich hier nicht ein Hinundhergeschiffe, ein Kreuzundquergeflügel zu Spaßeszwecken, und wir sind keine passiven Reisenden, die sich dumpf-dämlich befördern lassen, wir sind aktive, kreative Menschen, und wir bedürfen besonders der geistig-kulturellen Anregung.
      Mir schien, als läse Mittelzwerck von einem Blatt.
      Nein, sagte Nickelsen, das macht man nicht, es sei denn, Sie betrachten die Reise als beendet.
      Frau Mittelzwerck schlug vor, man könnte die Öffnung der Kiste auf den Tag verschieben, an dem mein neunzigster Geburtstag gefeiert werden sollte. Da passe es wohl besser, heute kann uns vielleicht Frau Kutzenbacher helfen.
      Na, wenn’s nicht anders geht, sagte Mittelzwerck.
      Frau Kutzenbacher holte ihre Musikmaschine und diese schwarzen Scheiben, von denen die Stimmen verschiedener heiserer Johnnys krächzten, die

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