Cook, Robin
Tropfens landete auf dem Tisch. Deborah kümmerte sich nicht darum; sie nahm die Gläser und reichte eins an Joanna weiter. Dann stieß sie mit ihrer Freundin an.
»Willkommen in der Gesellschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts!«, erklärte Deborah.
Sie erhoben ihre langstieligen Gläser und versuchten zu trinken, doch der Schaum brachte sie nur zum Husten, und sie bekamen einen Lachanfall. Um den ausgelassenen Augenblick nicht zu verderben, lief Deborah schnell mit den beiden Gläsern in die Küche, leerte sie und kehrte zurück. Beim zweiten Versuch schenkte sie vorsichtiger ein, indem sie die Gläser schräg hielt und den Champagner an den Seiten hinunterlaufen ließ. Diesmal konnten sie Flüssigkeit trinken statt Schaum.
»Nicht gerade ein besonders edler Tropfen«, stellte Deborah fest. »Aber das wundert mich nicht. Schließlich ist er von David, meinem Verflossenen, und der war ja ein Geizkragen ersten Ranges.« Deborah hatte ihre letzte Beziehung erst vor einer Woche beendet. Vier Monate hatte sie es mit David Curtis ausgehalten. Im Gegensatz zu Joanna war sie noch nie länger als zwei Jahre mit einem Freund zusammen gewesen, und auch das war nur einmal zu Highschool-Zeiten vorgekommen. Die beiden Freundinnen konnten kaum unterschiedlicher sein. Während Joanna in einem wohlhabenden Südstaatenvorort aufgewachsen war, wo es noch richtige, von Ölmultis gesponserte Debütantenbälle gab, zu denen sie immer gern gegangen war, hatte Deborah ihre Kindheit und Jugend mit ihrer allein erziehenden, unkonventionellen, in ihrer Akademikerkarriere aufgehenden Mutter in Manhattan verbracht. Ihren Vater hatte Deborah nie kennen gelernt, denn ihre bevorstehende Geburt war der Grund gewesen, weshalb ihre Eltern sich getrennt hatten. Ihre Mutter hatte erst geheiratet, als Deborah bereits aufs College gegangen war.
»Ich habe noch nie auf Champagner gestanden«, stellte Joanna fest. »Ich würde gar nicht merken, ob es ein guter oder ein schlechter Tropfen ist.« Sie drehte das Glas in der Hand und sah fasziniert zu, wie immer wieder einzelne Perlen an die Oberfläche stiegen.
»Was ist denn mit deinem Ring passiert?«, fragte Deborah, der erst jetzt auffiel, dass das Lieblingsschmuckstück ihrer Freundin verschwunden war.
»Ich habe ihn zurückgegeben«, erwiderte Joanna beiläufig.
Deborah schüttelte den Kopf. Sie war baff. Joanna hatte den Diamantring und alles, wofür er stand, innig geliebt und ihn fast nie abgenommen.
»Ich meine es eben wirklich ernst«, stellte Joanna klar.
»Den Eindruck gewinne ich allmählich auch«, entgegnete Deborah. Sie war sprachlos.
Das Klingeln des Telefons schreckte sie beide hoch. Deborah erhob sich.
»Wahrscheinlich ist es Carlton«, vermutete Joanna. »Aber ich will nicht mit ihm sprechen.«
Deborah ging zu dem Tischchen, auf dem das Telefon stand, und warf einen Blick auf das Display. »Du hast Recht. Es ist Carlton.«
»Lass den Anrufbeantworter laufen«, bat Joanna.
Deborah kehrte zum Couchtisch zurück und setzte sich. Das Telefon klingelte weiter. Die beiden Freundinnen sahen sich an und warteten. Nach dem vierten Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. Während die Ansage abgespult wurde, herrschte Ruhe. Dann hallte Carltons besorgte, von ein paar Störgeräuschen leicht verzerrte Stimme durch den asketisch ausgestatteten Raum.
»Du hast ja Recht, Joanna! Es war eine dumme Idee von mir, unsere Hochzeit erneut verschieben und warten zu wollen, bis ich mit meiner Facharztausbildung fertig bin.«
»Ich habe nie behauptet, es sei eine dumme Idee«, flüsterte Joanna, als ob Carlton sie hören könnte.
»Ich habe mir etwas überlegt«, fuhr Carlton fort. »Was hältst du davon, wenn wir im Juni heiraten? Du hast dir doch immer gewünscht, im Juni zu heiraten. Also, mir würde der Juni gut passen. Ruf mich doch bitte an, sobald du meine Nachricht hörst, dann können mir noch mal über alles reden. Okay?«
Der Anrufbeantworter gab ein paar weitere mechanische Geräusche von sich, dann begann das kleine rote Lämpchen vorne auf dem Gerät zu blinken.
»Da sieht man mal wieder, dass er keine Ahnung hat«, stellte Joanna fest. »Meine Mutter könnte nie und nimmer in acht Monaten eine traditionelle Houstoner Hochzeit organisieren.«
»Ich finde, er klang ein bisschen verzweifelt«, sagte Deborah. »Wenn du ihn zurückrufen und ungestört sein möchtest, verschwinde ich.«
»Ich will nicht mit ihm reden«, entgegnete Joanna entschieden. »Jedenfalls nicht
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