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zwanzig Zentimeter hoch und einen Meter fünfzig tief; oder sechzig Zentimeter breit, vierzig Zentimeter hoch und ebenfalls einen Meter fünfzig tief. Zu jedem Fach gehören zwei Schlüssel, und nur in Verbindung mit beiden öffnet sich die Box. Einen Schlüssel behält der Kunde, den anderen die Bank. Der Tresorraum mit den Schließfächern wird jeden Morgen geöffnet. Wenn ein Kunde zu seiner Box will, muß er sich zuerst in das Safebuch eintragen. Dann begleitet ihn ein Bankbeamter zu dem Fach. Der Kunde steckt seinen Schlüssel hinein, dann der Angestellte, und das Schließfach öffnet sich.
Nun bleibt der Kunde allein. Solange er will. Wenn er fertig ist, schließt er die Box, und sie blockiert automatisch. Am Ende der Geschäftszeit werden alle Panzerschränke abgeschlossen, und auch die zwanzig Tonnen schwere Tresortür wird verriegelt.
Zwei Jahre später erzählt Spaggiari dem Untersuchungsrichter: »Mir ist die Idee für den Einbruch genau an dem Tag gekommen, als ich ein Schließfach bei der >Societé Générale< gemietet habe: im September 1974. In meinem Kopf entwickelte sich Stück für Stück der Plan, bis zu dem Moment, als ich mir sagte: Das kann hinhauen!« Allerdings erzählt Spaggiari viele Lügen während seiner Vernehmung. »Jedesmal, wenn ich zu meinem Schließfach ging, lernte ich die Umgebung besser kennen. Ich maß alles aus. Ich machte kleine Zeichnungen. Ich fotografierte sogar, und das schien niemanden zu stören.«
Aber, woher weiß er, daß kein Alarmsystem existiert? »Ich kaufte mir einen Wecker mit einer sehr lauten Klingel: Ich stellte ihn auf ein Uhr nachts und ließ ihn spätnachmittags in meinem Schließfach zurück. Um ein Uhr nachts saß ich dann vor der >Traverne Alsacienne< und trank meinen Wein. Genau gegenüber der Bank. Ich wartete bis zwei Uhr nachts. Nichts geschah. Am nächsten Tag öffnete ich die Box. Der Wecker tickte normal, aber der Klingelmechanismus war abgelaufen.«
Es ist möglich, daß ein hochempfindliches, modernes Alarmsystem bei dem Klingeln eines Weckers anschlägt. Aber es ist unwahrscheinlich, daß sich so ein sorgfältiger Planer wie Spaggiari auf eine so zweifelhafte Methode verläßt. In jedem Fall verwirft die Polizei das Märchen vom Auskundschaften, Ausmessen und Durchfotografieren des Tresors. Das Safebuch beweist: Spaggiari war nur zweimal an seinem Schließfach. Einmal, als er die Box gemietet hat, und das zweite Mal im Januar 1975. Als man ihn darauf festnagelt, erzählt er eine neue Geschichte. »Die >Societé Générale< hat eine Zweigstelle in der Route de Marseille, Nummer 52. Die übernächste Tür von meinem Geschäft. Ich hatte dort ein Konto, und der Kassierer war einer meiner Kunden. Wir waren also Nachbarn, wohnten beide in derselben Straße und kannten uns gut. Er hatte vorher in der Hauptstelle in der Avenue Jean Médecin gearbeitet, und als Kassierer Zugang zum Tresor gehabt. Ich konnte ihm alle Details über die Räumlichkeiten aus der Nase ziehen. Er merkte das gar nicht. Und er war es auch, der mir verriet, daß keine Alarmanlage installiert war.«
Spaggiari nennt den Namen des Kassierers. Der ist jedoch kürzlich verstorben. Die Geschichte mag wahr sein. Doch ist ein zungenfertiger, geschwätziger Banker höchst selten. Es gehört schon viel Glück dazu, einen solchen gleich vor der Tür zu finden. Wie Spaggiari diese ersten Informationen bekommen hat, bleibt offen. Es ist stark anzunehmen, daß der Name des tatsächlichen Informanten nie bekannt werden wird.
Spaggiari muß auch das genaue Gewicht der Panzerschränke gekannt haben. Er behauptet, er hätte dies auf eine simple Anfrage von dem Bankbeamten erfahren. Die Antwort: Dreißig Tonnen. In seinen Plänen setzt er das Doppelte ein, um ganz sicher zu gehen. Diese Geschichte stimmt wahrscheinlich. Sie spricht für den zweiten Besuch des Tresorraums, im Januar 1975.
Kein Geheimnis steckt hinter der Beschaffung der Pläne des Kanalsystems rund um die Bank. Blaupausen und Kopien der städtischen Kanalisation sind der gesamten Öffentlichkeit im Rathaus zugänglich. Spaggiari stellt sich als künftigen Besitzer einer Diskothek vor und behauptet, er wolle einen unterirdischen Tanzclub bauen. Die Beamten sind besonders hilfsbereit und beschaffen ihm ein Kopie des Plans Nummer 16. Ein großer, klarer Plan von der Bank und Umgebung, im Maßstab 1:1000.
Damit kann Spaggiari spielend den kürzesten Weg von der >Societé Générale< bis zur unterirdischen Straße in
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