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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Kopf. »Was ist aus Mike geworden?« fragte er.
    »Aus wem?«
    »Ich – ich nehme einen Whiskey.«
    Das Glas stand vor ihm und war bezahlt, was die Spannung zwischen den beiden Männern erheblich minderte; der Barmixer wurde etwas zugänglicher. »Sie meinen Mike Dram? Den früheren Besitzer hier?«
    »Ja.«
    »Schaut sich die Radieschen von unten an«, gab der Mann Auskunft und zeigte mit dem Daumen nach unten. »Vor etwa zehn Jahren. Seither hat es hier vier Wirte gegeben. Sind Sie ein Freund von Mike?«
    »Ich habe ihn vor langer Zeit gekannt«, antwortete Beggs und stürzte den Alkohol hinunter, der wie eine Granate in seinem Kopf explodierte. Er verschluckte sich und begann krampfartig zu husten, wobei er fast mit dem Kopf auf die Mahagonibar schlug. Der Barmixer fluchte und holte ihm einen Schuß Wasser.
    »Was sind Sie denn für ein Früchtchen?« fragte er. »Wollen Sie mir etwa vormachen, mein Whiskey taugt nichts?«
    »Tut mir leid – es ist so lange her.«
    »Ach, reden Sie doch keinen Unsinn!«
    Gekränkt marschierte er davon. Beggs barg das Gesicht in den Händen. Im nächsten Augenblick spürte er eine Berührung am Rücken, drehte sich um und erblickte die billigen weißen Perlen und den schlanken Hals, die durch einen tiefen schwarzen Kleiderausschnitt getrennt waren.
    »Hallo, Opa, sind Sie erkältet oder was?«
    »Alles in Ordnung«, sagte er. Sie setzte sich auf den Hocker neben ihn, ein junges, hübsches Mädchen, deren Haut noch heller war als die falschen Perlen. »Ich bin nur nicht daran gewöhnt«, sagte er. »Vertrage das Zeug nicht mehr.«
    »Sie brauchen Übung«, sagte sie lächelnd. Dann ging ihm auf, daß das Mädchen nicht aus Nächstenliebe freundlich zu ihm war; sie arbeitete hier. Er griff nach dem Koffer. »Bleiben Sie doch noch, Opa, auf einem Bein kann man nicht stehen.«
    »Wie bitte?«
    »Trinken Sie noch einen. Der schmeckt Ihnen bestimmt schon besser.«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie bestellen sich einen und kosten ihn. Wenn er Ihnen nicht schmeckt, trinke ich für Sie weiter. Das ist wie bei einer garantierten Geldrückgabe bei Nichtgefallen. Nur kriegen Sie’s gar nicht zurück.« Sie lachte hell.
    Er hätte am liebsten abgelehnt, doch lag ihm daran, selbst ihr falsches Lächeln möglichst lange um sich zu haben. »Na schön«, sagte er mürrisch.
    Der Barmixer kehrte aktionsbereit zurück. Er schob zwei Gläser zurecht und füllte beide bis zum Rand. Dann stellte er die Flasche vor Beggs hin und drehte sie so, daß die Marke sichtbar wurde. Reumütig grinste ihn Beggs an. Die dünnen bleichen Finger des Mädchens schlossen sich um ihr Glas und hoben es hoch. »Auf Sie«, sagte sie.
    Der zweite Drink rutschte schon besser. Er fühlte sich noch nicht richtig entspannt, doch ließ sich mit seiner Depression schon etwas besser leben. Der Drink weckte Erinnerungen daran, wozu Alkohol gut war. Schüchtern betrachtete er das Mädchen, das ihm auf die Schulter klopfte. »Sie sind nett«, sagte sie herablassend. »Ihr weißes Haar gefällt mir.«
    »Sie trinken ja gar nicht«, stellte er fest.
    »Wenn ich ehrlich bin, möchte ich noch einen Schuß Ginger Ale dazu haben. Wollen wir uns nicht an einen Tisch setzen?«
    Beggs blickte zum Ende der Bar; der Mixer trocknete Gläser ab und schien ganz zufrieden zu sein.
    »Warum nicht?« antwortete er, nahm seinen Koffer und stieg vom Hocker. Als sein Fuß den Boden berührte, merkte er es zuerst gar nicht und lachte. »He, was ist los? Mein Fuß ist eingeschlafen.«
    Sie kicherte und blickte auf den Koffer. Dann hakte sie sich bei ihm unter. »Ach, sind Sie süß!« sagte sie. »Ich bin froh, daß Sie bei uns eingekehrt sind.«
    Er war in der Gefängniswerkstatt, zerschlagen vor Müdigkeit. Ringsum dröhnten die Maschinen, und der Kopf tat ihm weh. Er legte ihn auf die kühle Oberfläche der Werkbank, und der Wächter packte ihn an der Schulter und zerrte ihn hoch. »Wach auf, Kumpel!«
    »Was?« fragte Beggs und hob den Kopf von der Plastiktischplatte. Seine Finger lagen um ein Glas, das jedoch leer war. »Was haben Sie gesagt?«
    »Aufwachen!« knurrte der Barmixer. »Ich führe hier kein Hotel und muß zumachen.«
    »Wie spät ist es?« Er richtete sich auf, und mehrere Gongs dröhnten in seinen Ohren. Seine Fingerspitzen kribbelten, und er hatte das Gefühl, Kleister im Mund zu haben. »Ich muß eingeschlafen sein«, stellte er fest.
    »Wir haben ein Uhr durch«, verkündete der Barmixer. »Gehen Sie

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