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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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sich, und ich gab den Befehl, Gewehre und Pistolen ins Gras zu werfen. Dann trat ich zurück und packte Maddox am Arm.
    »Kommen Sie«, sagte ich. »Wir verschwinden von hier.«
    Er wimmerte leise und klammerte sich an mir fest. Rückwärtsgehend näherten wir uns dem Haupteingang von Gombers Besitz.
    »Wo steht Ihr Wagen?« fragte ich.
    »Da drüben!« keuchte er. »Auf dem Rasen!«
    Wir saßen bereits, als mir aufging, daß Maddox’ Kiste ein hübscher kleiner Silver Cloud mit butterweichen Lederpolstern und einem Armaturenbrett aus Mahagoni war, ein ansprechendes Souvenir für einen Topmanager. Um mögliche Verfolger zu entmutigen, steckte ich das Gewehr aus dem Fenster, und mit einer kleinen Bewegung des Ganghebels ließ Maddox die Maschine in Aktion treten. Wir rollten die Auffahrt hinab und bogen mit hundertunddreißig Sachen auf die Hauptstraße ein, und das Blut rauschte mir durch die Adern.
    »Das vergesse ich Ihnen nie«, sagte Maddox. »Und Lambeth auch nicht.«
    »Mein Büro muß drei Fenster haben«, sagte ich. »Haben Sie gehört? Mindestens drei Fenster!«
    Liebevoll tätschelte ich den Gewehrkolben und hielt ihn im Schoß, bis die Türme Manhattans in Sicht kamen.

Falsche Perlen
    Nun war auch Beggs an der Reihe. Während er seine Strafe verbüßte, war eine ganze Generation erwachsen geworden, und jetzt endlich öffneten sich die Gittertore für ihn. Während er im Büro des Direktors stand, unbehaglich in der fremden Zivilkluft, dachte er: Den ersten Einundzwanzigjährigen, der mir über den Weg läuft, haue ich an und sage: Junge, ich bin jemand, den du nie gesehen haben kannst, dem du an nichts die Schuld geben kannst, denn ich habe gesessen, seit du auf die Welt gekommen bist. Zwanzig Jahre.
    »Fünfzig ist doch kein Alter«, sagte der Direktor gerade. »Es gibt viele Männer, die mit fünfzig noch eine neue Karriere beginnen, Beggs. Lassen Sie sich nicht entmutigen; Sie wissen ja, wohin das führt.«
    »Was?« fragte Beggs verträumt. Er kannte die Antwort zwar, wollte aber, daß das Gerede noch nicht zu Ende war, daß der entscheidende Augenblick noch etwas hinausgezögert wurde.
    »Na, Sie wissen schon – so etwas gibt Ärger. Sie wären nicht der erste, der sich an einem Tag verabschiedet und am nächsten schon wieder eingeliefert wird.« Er räusperte sich und raschelte mit seinen Papieren. »Wie ich sehe, haben Sie Familie.«
    »Das war einmal«, sagte Beggs nicht ohne Bitterkeit.
    »Ihre Frau hielt wohl nicht viel von Besuchen, wie?«
    »Nein.«
    »Das Geld, das Sie gestohlen haben …«
    »Welches Geld?«
    »Ach ja«, sagte der Gefängnisdirektor seufzend. »Sie gehören ja zu den Unschuldigen! Na schön. Die Sorte lasse ich besonders gern wieder ziehen.« Die Hand wurde ausgestreckt. »Viel Glück, Beggs. Ich hoffe, Sie finden da draußen, was Sie suchen. Ich wünschte nur, ich könnte Ihnen einen guten Rat mit auf den Weg geben.«
    »Schon gut, Herr Direktor. Trotzdem vielen Dank.«
    »Einen Tip gebe ich Ihnen.« Er lächelte wohlwollend. »Färben Sie sich das Haar.«
    »Vielen Dank«, sagte Beggs.
    Er war draußen. Er wußte, daß Edith nicht vor dem Tor auf ihn warten würde; trotzdem blieb er stehen und blickte nach links und rechts und setzte sich schließlich zehn Meter von der Gefängnismauer entfernt auf einen Hydranten, um eine Zigarette zu rauchen. Auf dem Laufgang über sich hörte er einen Wächter lachen. Endlich stand er auf und ging zur Bushaltestelle. Er setzte sich auf die letzte Bank und ließ während der Fahrt in die Stadt sein weißhaariges Spiegelbild nicht aus den Augen. Ich bin ja ein alter Mann, dachte er. Aber das ist schon recht so.
    In den nächsten Tagen lebte er von seinem Rehabilitationsgeld. Er gab es aus für Unterkunft, neue Kleidung, Essen und eine Bahnfahrt. Auf dem Bahnsteig von Purdys Landing sprach ihn ein Taxifahrer an. Er sagte ja und setzte sich auf den Beifahrersitz. »Kennen Sie die Cobbin-Farm?« fragte er.
    »Nein«, antwortete der Fahrer. »Nie davon gehört.«
    »War mal an der Edge Road.«
    »Die ist bekannt.«
    »Dorthin will ich. Ich sage Ihnen, wo ich aussteigen möchte.«
    Als die kleine Siedlung auftauchte, bat er den Fahrer anzuhalten. Er bezahlte und wartete, bis der Wagen anfuhr, ehe er sich einem der Häuser näherte. Als er das Taxi nicht mehr sehen konnte, verließ er die Auffahrt wieder und begann die Straße entlangzugehen. Obgleich ihm die Umgebung sehr fremd vorkam, zeigte er keine Unruhe. Alles verändert sich. Gewisse

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