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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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daß sie es mit einem Mann von unbeugsamem Willen zu tun hatten. Und wenn sie es nicht wußten, klärte Warren sie schnell auf.
    Im Sessel neben Maddox verzog Brauereipräsident Berolzheimer den humorvoll geschwungenen Mund. Er gehörte zu den unaufgeklärten Mitgliedern, die Warrens strenge Lebenseinstellung nicht teilten.
    »Warren, das verstehe ich nicht«, sagte er gelassen. »Soll das heißen, Sie würden sich weigern, Lösegeld zu zahlen?«
    »Und ob! Das ist ja heute das Problem bei den Leuten – keine Willenskraft! Wenn die gemeinen Verbrecher genau wüßten, daß sie von Barnwrights Frau keinen roten Heller bekommen, müßten sie ihn freilassen.«
    »Sie könnten ihn natürlich auch umbringen«, meinte Berolzheimer.
    Warren bedachte den Einwand. »Nein, das wäre nicht vernünftig. Kidnapping ist eine Sache, Mord eine andere. Sobald die Kerle wissen, daß es keinen Sinn hat, sind sie besser dran, wenn sie ihn unverletzt freilassen. Nur das ist eine gesunde Einstellung zum Geschäft.«
    »Aber was ist, wenn es sich nicht um gute Geschäftsleute handelt? Nicht alle Verbrecher lesen das Wall Street Journal.« Berolzheimer hatte die Lacher auf seiner Seite, und Warrens Gesicht rötete sich.
    »Dazu muß ich feststellen, daß gerade der alte Barnwright nicht als guter Geschäftsmann gehandelt hat. Hätte er eine Anweisung hinterlassen, niemals Lösegeld zu zahlen, wäre so etwas gar nicht erst passiert, garantiert.«
    »Wirklich? Haben Sie es denn getan, Warren?« Dem Brauer schien das Gespräch Spaß zu machen, während Warren immer nervöser wurde.
    »Nein, aber ich hole es so schnell wie möglich nach, bei Gott!« sagte er energisch. »Wenn diese Schurken wissen, daß wir nicht zahlen, lassen sie uns in Ruhe. Ist doch vernünftig, oder?«
    »Mag schon sein. Ich will nur hoffen, Warren, daß Sie nicht mal auf Verbrecher stoßen, die vernunftwidrig handeln.«
    Warren Maddox vergaß diese prophetischen Worte schnell wieder, doch erst nachdem er den Brief geschrieben hatte. Noch am gleichen Abend zog er sich in die Bibliothek seines eindrucksvollen Hauses zurück und bekritzelte ein halbes Dutzend teure Leinenbogen, ehe er das Dokument erstellt hatte, das seinen Geschäftssinn und sein literarisches Empfinden gleichermaßen zufriedenstellte:
    An meine Frau Evelyn Maddox und meinen Rechtsanwalt Emanuel Maddox:
    Sollte es je dazu kommen, daß ich entführt werde, ergeht hiermit die Anweisung, jedes Ersuchen um Lösegeld zu ignorieren, ob es nun von den Verbrechern oder von mir selbst ausgeht. Egal, welche Mitteilungen eintreffen, egal, wie dringend ich darum ersuche, diese Anweisung zu ignorieren – es darf auf keinen Fall gezahlt werden.
    Gezeichnet, Warren G. Maddox.
    Nach dem Abendessen zeigte er den Brief seiner Frau, und sie sagte: »Aber Warren, das ist ja schrecklich! Wenn man dich nun umbringt ? Das meinst du doch nicht ernst!«
    »Unsinn! Wenn die Kerle wissen, daß ich nicht zahle, können sie gar nichts tun. Aber denk daran, Evelyn, laß dich nicht täuschen. Egal, wozu mich die Entführer zwingen – du ignorierst alles!«
    »Glaubst du wirklich, daß so etwas passieren könnte?«
    »Natürlich nicht. Aber für den Notfall – denk an meine Anweisungen! Das ist ein Befehl.«
    Als sich die Nachricht von seinem mutigen Vorstoß bei Freunden und Klubkollegen herumsprach, stand Warren wie ein Held da. Der alte Barnwright, dessen nervöse und machtlose
    Frau das Lösegeld gezahlt hatte, das ihm die Freiheit zurückgab, ging in den Ruhestand und starb kurze Zeit später. Die Berichte über sein Leiden waren aber schneller wieder vergessen als Warren Maddox’ Brief, der jetzt zwischen seinen Aktien und Rentenpapieren im Kellertresor der Merchants Industrial ruhte.
    Natürlich hatte Warren wenig Grund zu der Besorgnis, daß seine Anweisungen jemals ausgeführt werden mußten. Das Risiko, daß sich ein weiterer Entführungsfall ereignen würde, war denkbar gering, auch wenn die reichen Mitglieder des Wirtschaftsklubs eine gewisse Verlockung darstellten. Leider aber wurde diese Unwahrscheinlichkeit gerade in Warrens Fall zur Realität.
    Als es geschah, fuhr er gerade im besten der drei Wagen der Maddox-Familie, einem schicken schwarzen Fleetwood mit breiten Schwanzflossen, vom Golfplatz nach Hause. Er stoppte gehorsam vor einer roten Ampel und achtete kaum auf den linkischen Mann im schimmernden blauen Anzug, der aus einem geparkten Plymouth stieg und über die Straße auf ihn zukam. Als der Mann auf der

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