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einer linearen Zeit fortbestehen zu lassen.
Aber nicht für dich. Ich meine dich, der du Albert gewesen bist/warst/bist/sein wirst. Deine Geschichte ist komplex und verschlungen und fraktal ineinander verzahnt. Dafür ist eine neue Erzählart erforderlich, die flexibel, zuversichtlich und vorhersagend ist.
Lass mich dir jetzt sagen, was ich voraussehe.
Bevor du irgendetwas anderes tust, wirst du die Furcht aufgeben.
NA BITTE. War das nicht leicht?
Furcht ist für biologische Wesen wundervoll nützlich. Du wirst sie nicht vermissen.
ALS NÄCHSTES WIRST DU ERKENNEN, dass dein Leben – was davon übrig ist – zu Ende geht.
Du hast doch sicher nicht damit gerechnet, all diese Erfahrungen unversehrt zu überstehen, oder? Kein verankertes Selbst kann die Seelenlandschaft sehen und unverändert bleiben.
Vergiss die Symptome, von denen du geglaubt hast, sie würden von einer Krankheit verursacht, von einem Kriegsvirus. Bald wirst du erkennen, dass mit dem schlauen Tier, das dich treu so lange herumgetragen hat, alles in Ordnung ist. Die Empfindungen, die du für Ausdruck einer Krankheit gehalten hast, wirst du bald als natürliche Trennungsschmerzen erkennen.
Der Körper will leben. Die in ihm verwurzelten Instinkte werden sich nicht einmal sehr beschweren, wenn du deinen Weg fortsetzt.
AUFGABEN WARTEN AUF UNS! So müssen wir zum Beispiel mehr über die Natur der Zeit lernen.
Du wirst bemerken, dass sie um uns herum erstarrt zu sein schein. Selbst Yosils Pendel verharrt mitten in einem Schnitt, während der Mund des verrückten Ditos zu einem Schrei geöffnet ist. Dies ist der Orthomoment. Das Jetzt der greifbaren Realität. Der schmale, sich bewegende Schlitz, in dem sich organische Wesen bewegen, in dem sie handeln und wahrnehmen.
Große Denker wussten immer, dass die Zeit eine Dimension sein muss, mit dem ihr innewohnenden Potenzial für Reisen, so wie alle anderen. Aber lebende Organismen können nicht an einem Paradoxon festhalten, Albert. Unvereinbarkeiten von Ursache und Wirkung erweisen sich als toxisch. Wie konnte das kreative Genie der Evolution sein langsames Wunder bewirken, nach und nach rohe Chemikalien so miteinander zu verbinden, dass Seelen tragende Geschöpfe entstanden – ohne eine enorme Anzahl von Versuchen und Ergebnissen? Die »reale« Welt braucht Konsistenz und zahllose Fehlschläge, damit die natürliche Auslese funktioniert und Komplexität aus dem Chaos holt.
Es ist die Lösung des Rätsels namens Schmerz.
Wir dürfen das Gewebe der Zeit also nicht zu sehr dehnen, Albert! Nur ein kleines Zupfen, hier und dort, während wir uns zurück und nach vorn winden und dabei helfen, uns selbst zu erschaffen.
VERWIRRT? Das wirst du nicht sein, wenn wir unseren ersten kleinen Schritt zurück machen… fast eine Woche… zum letzten Montagabend.
Nein, versuch nicht, mit normalen Begriffen zu navigieren. Folge stattdessen den Affinitäten.
Da! Folge der Spur von Selbstgefälligkeit, vermischt mit vier Teilen Hartnäckigkeit, plus etwas zu viel Selbstvertrauen und mit einem Schuss romantischer Spieler. Folge ihr, und du wirst den grünen Dito finden, der du in jener Nacht warst, verwundet und tollkühn, als er den Odeonplatz überquerte, belästigt von gelangweilten Blödis und verfolgt von Betas zornigen Gelben, die mit Steinen auf dich schossen.
Versuch nicht, dich zu erinnern. Nimm es vorweg! In dieser Sphäre ist das viel einfacher.
Bald wirst du Notwendigkeit verstehen. Der Grüne muss überleben, aber aus eigener Kraft.
Es lässt sich mit einem geringeren Eingreifen bewerkstelligen. Genug, um die Wahrscheinlichkeiten ein wenig kollabieren zu lassen. Etwas Kleines, nicht weiter der Rede wert.
Ja, nur zu. Experimentiere. Bald, in einem kritischen Moment, wirst du entscheiden, auszustrecken und den Geist des Kellners dort drüben zu berühren, der in dem Restaurant am Kai bedient und dessen Ungeschicklichkeit genau zum richtigen Zeitpunkt für Ablenkung sorgt…
… aber vorsichtig! Denn selbst ein kleiner Anstoß verursacht Kräuselungen, wie du sehen wirst. Etwas an der Art und Weise, wie die Teller fliegen…
Später wird es eine deiner argwöhnischen Versionen beschäftigen. Jenes anderes Selbst wird lange darüber nachdenken. Wie gesagt, clevere Tiere werden bei einem Paradoxon nervös.
Yosil Maharal, inmitten seiner Brillanz und seiner Fehler, stellte sich das Rohmaterial der Seelenlandschaft wie einfachen Ton vor, den er beliebig formen konnte. Aber du wirst
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