Coq 11
registrieren konnte, meldete der Computer, dass es sich nicht um ein bekanntes Fahrzeug handele. Ein unbekanntes U-Boot in russischen Gewässern löste an Bord nahezu Panik aus, wenn Marwan die Situation richtig deutete. Er wies seinen Assistenten an, die Lasersensoren auf das Fahrzeug zu richten, und konnte fast sofort die Ziffern auf dem Turm des fremden U-Boots erkennen: K 329. Blitzschnell fanden sie heraus, dass es sich um das Versuchs-U-Boot Sewerodwinsk der russischen Flotte handelte.
Der russische Kommandant strahlte und gab Befehl, ein Schallsignal auf den Fremdling zu richten, ein »Ping«, das in ihrem eigenen Sonargerät widerhallte, als es auf den Rumpf des Kollegen traf. Alle in der Zentrale jubelten und klatschten in die Hände.
Viel später fand Marwan, unter gewissen Mühen und mithilfe des Wörterbuchs und seines widerwilligen Russischlehrers, heraus, dass es sich um einen klassischen Scherz unter russischen U-Booten handelte. Es war ärgerlich, plötzlich und aus nächster Nähe von einem aktiven Sonar getroffen zu werden. Dementsprechend befriedigend war es für denjenigen, der das Spiel gewann. Und diesmal hatte man nicht irgendjemanden angepingt, sondern ein ultraleises Versuchsfahrzeug. Außerdem hatte man die Laute des neuen U-Boots aufgenommen und in der Klangbibliothek archiviert.
Peter Feisal hatte das einzige unerwartete Ereignis des ersten Tages an Bord verpasst, weil er zurück in seine Kajüte gegangen war, wo er neben zwei ebenfalls schlaflosen Palästinensern zur Ruhe zu kommen versuchte.
Obwohl er müde war, fiel ihm das Einschlafen an diesem ersten Abend in der Tiefe des Meeres schwer. Er spürte, dass die Metallwand neben seiner Koje leicht gerundet war. Also lag er dicht am Druckrumpf, der fünf Zentimeter dicken Titanwand. Vorsichtig klopfte er gegen die Wand, aber die Empfindung in seinem Finger sagte ihm nur, dass es sich um hartes Metall handelte.
Wieder erfasste ihn ein schwindelndes Gefühl von Unwirklichkeit. Die monatelange Schufterei im Labor und im Versuchsbecken ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass sie wirklich und ganz konkret dabei waren, das Unerhörte zu versuchen. Für die nächste Frage, danach, wie der Rest der Welt reagieren würde, reichte seine Fantasie bei Weitem nicht aus.
Ab und zu fragte er sich fast beschämt, ob Gott immer noch an seiner Seite war, so wie in der ersten und zugegebenermaßen etwas schwärmerischeren Zeit in der Zentralmoschee. Hier unten in der Tiefe gab Gott ihm jedoch nicht das kleinste Zeichen, und irgendwie sehnte er sich nach dem Gefühl von Verliebtheit, das er empfunden hatte, nachdem er bei Abu Ghassan Trost und Rat gesucht hatte.
Er merkte, dass die anderen in der Kajüte auch nicht schlafen konnten, sah aber keinen Grund, sich seinen unbekannten Landsleuten vorzustellen. Dafür würde noch genug Zeit sein. Vermutlich dachten sie genauso, denn auch von ihnen begann keiner ein Gespräch.
Es gab eine Moralfrage, die sich hin und wieder in Form von schlechtem Gewissen in Erinnerung brachte, und ausgerechnet jetzt, als er nicht schlafen konnte, drängte sie sich ins Bewusstsein – wie eine fixe Idee, über die man sich das Hirn zermartern konnte.
Nach nur einer Woche waren sie alle drei so fieberhaft in das Projekt verwickelt gewesen, dass sie die Nächte durchgearbeitet hatten. Ihre russischen Kollegen hatten zwar irgendwo in den trostlosen Hochhäusern Familien, schufteten aber ebenfalls bis zum Umfallen. Oder sie hatten endlose Materiallisten für die Computerausstattung geschrieben (Samsung galt als der diskreteste Lieferant). Was die Funktionen der Hardware betraf, erwies sich Ibra »The Wiz« tatsächlich als Zauberkünstler. Die Russen waren beeindruckt.
Doch mitten in diesem fiebrigen Zustand hatte Peter Feisal Mouna al-Husseini über einer Tasse Tee eine persönliche Frage gestellt. Ihre »Chefin« kam hin und wieder vorbei, um nach ihnen zu sehen. Sie war gerade von einer knapp einwöchigen Reise nach Gott weiß wo zurückgekehrt. Sie wirkte freundlich und optimistisch und sagte, im Moment würde sie jede Frage beantworten. Ihr Lächeln jedoch verlieh den Worten einen nahezu zweideutigen Ton.
Objektiv betrachtet war Peter Feisals Frage simpel: Wenn sie die drei Gentlemen nun fröhlich wie die singenden sieben Zwerge auf dem Weg ins Bergwerk arbeiten sehe, wenn sie doch sehe, dass sie alles täten, um das Projekt zu perfektionieren – bereue sie dann nicht ihre etwas, wenn man es so ausdrücken dürfe,
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