Coq 11
werden.
Sie hatte die beiden anderen Gentlemen, Marwan und Ibrahim, sowie die wissenschaftlichen Berater Iwan Firsow und Boris Starschinow und natürlich Fregattenkapitän Owjetschin, mit dem sie seit vielen Jahren befreundet war, ebenfalls zu dem anberaumten Treffen gebeten.
Es begann wie ein gewöhnlicher Ausschuss. Sie lasen Peter Feisals Bericht und den Forderungskatalog der palästinensischen Besatzung.
Über zwei Dinge wurden die Anwesenden sich schnell einig. Erstens sollte man die Forderungen der palästinensischen Mannschaft Punkt für Punkt erfüllen. Ohne Diskussion.
Zweitens: Das Problem war viel größer. Was ließ sich gegen die Islamophobie in der russischen Flotte unternehmen? Wenn man die jetzigen Seemänner auf der K 601 hinauswarf und neue anforderte, kam man bloß vom Regen in die Traufe.
Fregattenkapitän Owjetschin rutschte angespannt auf seinem Stuhl hin und her, räusperte sich und ließ keinen Zweifel daran, dass es ihn außerordentlich plagte, diese Diskussion einleiten zu müssen. Die anderen blickten ihn erwartungsvoll an.
Das weit verbreitete Misstrauen gegenüber allem, was mit dem Islam zu tun hatte, hinge in erster Linie mit der jüngsten russischen Geschichte zusammen, begann er. Die anderen nickten höflich.
Afghanistan sei der erste Prüfstein gewesen, dort hatte das Ganze seinen Lauf genommen. Zunächst hatte es wie normale Bruderhilfe für ein progressives Regime beziehungsweise Freunde in Not ausgesehen, wie man sich auszudrücken pflegte. So etwas sei nicht zum ersten Mal vorgekommen und habe der herrschenden Überzeugung entsprochen, er erinnere nur an Ungarn ’56 oder die Tschechoslowakei ’68.
In Afghanistan sei jedoch eine nie gekannte religiöse Dimension hinzugekommen, als die Amerikaner eine Banditenorganisation aus religiösen Fanatikern mit Osama bin Laden an der Spitze aufgebaut hätten.
Diese habe nicht nur Afghanistan in eine Hölle verwandelt, sondern eine Lunte nach Tschetschenien, zum 11. September und – das sei das Schlimmste – zu einer ganzen Reihe von wahnsinnigen Kriegen im Kaukasus und in Zentralasien gelegt.
Allein das bisher Geschehene, all die russischen Mütter, die ihre Söhne in unbegreiflichen Kriegen verloren hätten, die wiederum neue Kriege hervorgebracht und zu großen Terrorangriffen sogar in Moskau geführt hätten, hätte die Russen gelehrt, alle »Tschetschenen« zu hassen.
Man könne vielleicht meinen, die russische Nordmeerflotte wäre davon unberührt geblieben. In Tschetschenien seien keine Seeleute gefallen. Aber zum Teil solidarisiere sich die russische Flotte mit Freunden und Bekannten, die Söhne in der Armee hätten.
Aus nahe liegenden Gründen gebe es in der russischen Nordmeerflotte keine Muslime. Ob Libyer oder Araber aus anderen Ländern, sie alle galten als Tschetschenen. Dies sei der psychologische und politische Hintergrund der unglückseligen Ereignisse an Bord der K 601.
Mouna hatte während der etwas langatmigen und insgesamt recht vorhersehbaren Erklärungen keine Ungeduld gezeigt. Sie fragte, ob der Fregattenkapitän sich überhaupt vorstellen könne, die Stimmung an Bord insbesondere unter den Russen zu verbessern.
Möglich wäre das bestimmt, meinte der Fregattenkapitän. Aber dann geriete man mit der Forderung nach absoluter Sicherheit in Konflikt. Er selbst gehöre zu einem knappen Dutzend von Personen in ganz Russland, Präsident Putin eingeschlossen, denen das Ziel des Projekts bekannt sei. Sollte dieses Wissen gerüchteweise durchsickern, könnte alles vergebens gewesen sein. Daher bekämen die russischen Seeleute einen für russische Verhältnisse glänzenden Sold von fünfhundert Dollar im Monat – die Offiziere sogar zweitausendfünfhundert. Aber vielen sei gar nicht bewusst, dass es um einen Angriff gehe, der in die Seekriegsgeschichte eingehen würde. Und manche betrachteten den Job nur als Ausbildung mit »Libyern«. Im Übrigen sei ein totales Wodkaverbot unter russischen U-Boot-Leuten unmöglich durchzusetzen.
Die letzte Bemerkung führte zu einer chaotischen Diskussion über Alkohol, Moral und Disziplin.
Peter Feisal wechselte schließlich das Thema, indem er die Frage aufwarf, ob eine so streng hierarchische Organisation wie die an Bord nicht von der Spitze ausgehen würde. Der Kommandant hatte den Oberbefehl. Aber Mouna stehe schließlich einen oder sogar zwei Ränge höher. Müsse sie nicht an Bord sein, wenn die Operation durchgeführt werde?
Die drei anwesenden Russen
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