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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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mir die anderen aufgetragen haben.«
    »Sie sollen jetzt nichts hinzufügen, sondern das begründen, was Sie hier vorgelegt haben!«, befahl sie.
    Überzeugende Argumente zu finden, fiel ihm zwar nicht schwer, aber ihr Blick hatte etwas Einschüchterndes an sich.
    Die Forderungen nach einem Gebetsraum, einem orthodoxen Priester und einem Imam spiegelten seiner Ansicht nach kein allgemeines religiöses Bedürfnis an Bord wider. Er schätze, dass ein Drittel der Palästinenser im weitesten Sinne religiös sei, und an einigen Bekreuzigungen in gefährlichen Augenblicken meine er abgelesen zu haben, dass der Anteil der Gläubigen unter den Russen ungefähr gleich hoch sei. Es gehe jedoch mehr um Psychologie als um Seelsorge, man wolle damit ein Zeichen der Gleichberechtigung von Christen und Muslimen setzen.
    Die Forderung nach vegetarischen Gerichten könne man ähnlich betrachten. Die meisten Palästinenser an Bord äßen, genau wie er, hin und wieder Schweinefleisch. Es sei jedoch etwas ganz anderes, das Schweinefleisch buchstäblich ins Gesicht geschmiert zu bekommen. Dies sei eigentlich keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der Selbstbestimmung.
    Dass man an Bord Wachpersonal brauche, das die Ordnung gewährleiste, halte er für eine Selbstverständlichkeit. Mit Rassisten sei das natürlich nicht zu machen. Diese Forderung sei also nicht zu hoch gegriffen und im Übrigen auch leicht zu erfüllen, denn an großen starken Palästinensern mit vernarbten Gesichtern herrsche ja kein Mangel.
    Die Sprachkurse bereiteten sicherlich größere Schwierigkeiten, aber in brenzligen Situationen, und auf solche bereite man sich schließlich vor, dürfe es unter keinen Umständen zu Missverständnissen kommen. Zweisprachigkeit an Bord wäre eine ausgezeichnete Neuerung.
    Das Alkoholverbot schließlich sei nicht religiös motiviert. Die Besäufnisse und Prügeleien auf der Rückfahrt, die zu offenem Rassismus geführt hätten, sprächen für sich. Unterm Strich sei das Projekt ohne die vorgeschlagenen Veränderungen nicht durchführbar.
    »Tun Sie Folgendes«, sagte sie, als er geendet hatte. »Verfassen Sie einen ausführlichen Bericht, ich meine, einen wirklich detaillierten, bis morgen früh um acht. Dann werden wir diese Fragestellungen ernsthaft besprechen. Wie war es sonst an Bord?«
    Er lächelte zumindest ein bisschen.
    »Danke der Nachfrage. Eine einzigartige Erfahrung, muss ich sagen. Ein in vieler Hinsicht großartiges und bemerkenswertes Erlebnis. Hervorragende technische Ergebnisse.«
    »Gut. Leider müssen wir die technischen Ergebnisse nun beiseite lassen, bis wir dieses Problem gelöst haben. Wir sehen uns morgen um acht!«
    Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
    Als sie wieder allein war, verspürte sie plötzlich einen tiefen Pessimismus. Diese jahrelange Anstrengung, das viele Geld, unendlich viel Zeit für technische Expertisen und Treffen mit russischen Politikern, die im Laufe der Zeit immer größer werdenden Hoffnungen. Was Peter Feisal ihr berichtet hatte, war die schlimmste aller denkbaren und undenkbaren Katastrophen. Der großen Operation stand nur noch ein einziges Hindernis im Weg, aber es konnte alles zum Scheitern bringen.
    Sie war eben erst von einem Treffen mit dem Präsidenten zurückgekehrt, der in den vergangenen beiden Jahren kein Wort von ihr gehört hatte. Natürlich hatte er sie als Erstes darauf hingewiesen, dass sie sich lange nicht habe blicken lassen, ihm aber jede Menge Geld abgeluchst hätte. Mit diesem Einwand konnte sie umgehen. Während sie neben ihm durch den Garten hinter der zerbombten Residenz in Ramallah spazierte, riskierte sie in jedem Augenblick ihr Leben. Die Israelis hatten sie bereits zweimal zu töten versucht, und sobald ihnen auffiel, dass es ihnen auch beim zweiten Mal nicht gelungen war, würden sie nicht zögern, einen dritten Hinrichtungsversuch zu unternehmen. Aber das war nur eine von mehreren großen Sicherheits­fragen. Denn wenn auch nur das geringste Gerücht über das Projekt in Umlauf kam, stand die gesamte Operation auf dem Spiel. Dadurch würde man nicht nur Zeit verlieren, sondern auch den Überraschungsbonus. Man konnte also weder per Telefon noch per E-Mail oder kodiertem Funk kommunizieren. Persönliche Kuriere und ein Gespräch unter vier Augen waren die einzigen Möglichkeiten.
    Abu Mazen war Yassir Arafats Bankier gewesen, und als solchen hatte sie die graue bürokratische Eminenz hinter den polternden Revolutionsveteranen, die einer nach dem

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