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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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plötzlich darauf kam.
    Die Sache könnte ziemlich schnell gehen, dachte sie. So etwas war ausnahmsweise ein Gebiet, auf dem der palästinensische und der israelische Nachrichtendienst allen anderen auf der Welt überlegen waren.
    Jede Universität von Rang hatte jüdische Studenten, Doktoranden, Assistenten, Dozenten und Professoren.
    Aber es gab auch an jeder namhaften Universität palästinensische Studenten, Assistenten, Dozenten und Professoren. Dieser Umstand beruhte auf der ähnlichen Geschichte dieser zwei Völker, die sich beide mehr in der Diaspora als in dem Land aufgehalten hatten, das sie aus unterschiedlichen Gründen als ihre Heimat betrachteten.
    Diese vielen Universitätsmenschen hatten sicherlich alle schon einmal über eine gewisse Situation nachgedacht – für die einen war es ein Albtraum, für die anderen eine mehr oder weniger fromme Hoffnung: Eines schönen Tages kommt ein Fremder mit ausgezeichnetem Benehmen in ihr Zimmer spaziert und eröffnet ihnen frank und frei, er – oder sie – vertrete den Mossad beziehungsweise den Dschihas al-Rasd. Der jeweilige Nachrichtendienst benötige Hilfe in einer kleinen Angelegenheit.
    Vermutlich reagierten alle gleich. Wenn sich das, worum der Agent bat, in einem angemessenen Rahmen hielt, zog niemand eine Absage in Erwägung.
    Ihre höfliche Bitte war ganz simpel. Sie hatte sie bereits in ihren Laptop getippt, um sie an ihre vierzig mehr oder weniger aktiven Agenten in Kalifornien zu schicken: Findet Hamlon!

3
    Manchmal fuhr sie an den Wochenenden, wenn sie einige Tage hintereinander frei hatte, nach San Diego und besuchte ihre beiden jüngeren Schwestern, um die sie sich ernsthaft Sorgen machte. Obwohl sie als Amerikanerinnen, also auf amerikanischem Boden, geboren waren, hatten sie es in ihrer Jugend schwer gehabt. Linda war die Einzige der Geschwister Martinez, die es weiter als bis zur Highschool geschafft hatte. Ihr Medizinstudium hatte sie jedoch nach der Hälfte abbrechen müssen, weil es enorm teuer gewesen war, ihren beiden jüngeren Schwestern zu festem Boden unter den Füßen zu verhelfen. Daher die unzähligen Nachtschichten in verschiedenen chirurgischen Notaufnahmen in L. A. Hätte sie nicht jahrelang in der Chirurgie gearbeitet und Tausende von jungen schwarzen Männern und ebenso viele spanischsprachige junge Männer gesehen, deren Gliedmaßen auf jede erdenkliche Weise aufgeschnitten oder zerschossen waren, wäre es vielleicht nie zu dieser gescheiterten Liebesgeschichte gekommen. Sie hätte nicht begriffen, was sie damals vor einigen Jahren am Strand von San Diego gesehen hatte, zumindest nicht innerhalb von drei Sekun­den. Und ihre Neugierde wäre nicht im gleichen Maß geweckt worden. Aber so war es eben im Leben. Man verpasste einen Bus und traf dafür jemanden, der alles veränderte. Oder man erreichte den Bus in letzter Sekunde und erfuhr nie, was einem entgangen war. Corazón, die ältere der beiden Schwestern, hatte wegen Drogenbesitzes eine Bewährungsstrafe erhalten und riskierte zwei bis fünf Jahre Gefängnis, wenn sie ein zweites Mal erwischt wurde, bei einem dritten Mal sogar Lebenslänglich. Teresia, die jüngere, hatte sich vermutlich als Prostituierte betätigt. Linda Martinez wusste es bis heute nicht genau und wollte es auch nicht wissen.
    Über persönliche Beziehungen hatte Linda ihre Schwestern im Rehabilitierungsheim Santa Teresia in San Diego unterbringen können, einer privaten Stiftung, die mexikanischstämmige Ju­gendliche unterstützte, die in Schwierigkeiten waren. Jetzt, im Rückblick, war das ihre Rettung gewesen. Sie schienen sich berappelt zu haben und das hatten nicht zuletzt auch mit dem Teilzeitjob zu tun, den sie damals gerade angenommen hatten.
    Die Arbeit der beiden Schwestern roch nach Wohltätigkeit und war ebenso leicht wie überbezahlt. Zudem fand sie zu Hause bei einem Mitglied des Stiftungsvorstands statt. Sie mussten bei einem eigenbrötlerischen und etwas sonderbaren Millionär namens Hamlon putzen und den Garten pflegen. Er war wahrscheinlich während des Börsenbooms in der Computerbranche reich geworden, was in Kalifornien nichts Besonderes war. Er hatte sich im Alter von vierzig Jahren zurückgezogen und widmete sich vor allem der Musik und, gleichfalls keine Beson­derheit in Kalifornien, fanatischem Fitnesstraining.
    Die wundervolle Villa draußen in La Jolla, einem der reichsten und angesagtesten Viertel von San Diego, hatte er damals schon besessen. Aber im Gegensatz zu anderen

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