Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
»Aber vergiß nicht, daß ich den Arbeitern sagen
werde, ich hätte dich hergebracht, damit du dich um mein leibliches Wohl
kümmerst.«
»Tue ich das vielleicht nicht?«
entgegnete Melissa gereizt.
Quinns Mundwinkel zuckten vor
Belustigung. »Selbstverständlich«, stimmte er leise zu. »Mach dir keine Sorgen,
Liebling. Nach Sonnenuntergang werde ich dir Gelegenheit dazu geben.«
Melissa hätte fast schon wieder mit
den Füßen aufgestampft, aber diesmal nahm sie sich zusammen. »Na wunderbar!«
entgegnete sie verärgert. »Ich kann es kaum erwarten, dich in aller Ruhe zu
ohrfeigen!«
Quinn lachte und deutete auf ein
langgestrecktes, verwittertes Gebäude, aus dessen Schornstein dichter Rauch
aufstieg.
»Das ist die Küche, Melissa. Viel
Spaß.«
Melissa war sprachlos vor Empörung,
drehte sich auf dem Absatz um und stürmte auf die Küche zu, wo sie unverzüglich
ans Schälen verschrumpelter Kartoffeln gesetzt wurde. Sie arbeitete eine
geschlagene Stunde lang, aber als Wong einen Moment hinausging, um mit einem
Hausierer zu verhandeln, ergriff sie die Flucht.
Hungrig, wie sie war, stahl sie
rasch noch einen halben Laib Brot und ein Stück Schinken aus der Vorratskammer,
bevor sie die Küche durch die Eingangstür verließ. In der Sicherheit des
Eisenbahnwaggons verschlang sie das Essen so eilig wie ein Wolf und setzte sich
gähnend auf die Bettkante, um ihre Schuhe abzustreifen. Bald hatte sie sich wie
eine Katze auf dem weichen Fell zusammengerollt und schlief tief und fest.
Stunden später, als sanfte Hände
ihre Strümpfe herunterrollten, erwachte sie wieder. »Nein«, murmelte sie verschlafen.
»Ich bin zu müde.«
Quinn lachte leise. »Ich weiß,
Kleines«, erwiderte er ruhig. »Mach dir keine Sorgen.«
Er zog sie aus und half ihr, das
Nachthemd anzuziehen, bevor er Licht machte.
»Willst du nichts essen?« fragte er
besorgt.
Melissa hatte schon wieder einen
Bärenhunger. »Muß ich dazu in die Küche zurück und Mister Wong gegenübertreten?«
Quinn schüttelte schmunzelnd den
Kopf, ging hinter die Trennwand und kam mit einem großen Teller zurück.
Melissa streckte eifrig die Hände
danach aus. Quinn hatte ihr gebackenes Huhn mitgebracht, Maisgemüse und
Kartoffelpüree mit Sauce. »Die Kartoffeln habe ich geschält«, sagte Melissa
kauend, als müsse sie sich rechtfertigen.
Quinn musterte sie streng. »Mister
Wong sagte, er würde dich schälen, falls du je wieder in der Küche auftauchst.
Du solltest den Mais von den Kolben lösen und das Frühstücksgeschirr
abwaschen.«
Melissa drohte Quinn mit einem
Hähnchenschenkel. »Laß es dir eine Lehre sein. Man kann Leute nicht entführen
und gegen ihren Willen in ein Holzfällerlager schleppen. Das tut man einfach
nicht.«
Quinn lächelte nur und wartete
geduldig, bis sie gegessen hatte. Dann ging er hinaus und verschwand für etwa
zehn Minuten. Bei seiner Rückkehr brachte er zwei mit heißem Wasser gefüllte
Eimer mit. Während Melissa zuschaute, zog er eine kupferne Badewanne um die
Trennwand herum und füllte sie. »Ich hätte dich mein Wasser schleppen lassen,
aber du bist ja schwanger«, bemerkte er vergnügt.
Melissa stand auf. »Das scheint mich
vor einer ganzen Reihe von Demütigungen zu bewahren«, entgegnete sie.
Quinn begann sich auszuziehen. »Vor
vielen, aber nicht vor allen«, stimmte er zu und setzte sich mit einem
zufriedenen Seufzen ins heiße Wasser. »Komm und wasch mir den Rücken.«
Melissa krempelte ihre Ärmel hoch,
kniete neben der Wanne nieder und nahm Seife und Waschlappen. »Wann fahren wir
nach Hause?« fragte sie, während sie seinen Rücken schrubbte.
»Keine Angst«, erwiderte er
großzügig, »wir werden rechtzeitig zurück sein, damit du beim Picknick einen
Walzer mit Mitch tanzen kannst.«
Melissa hatte ihre Verabredung mit
dem Anwalt ganz vergessen, und die Erinnerung daran brachte ihr natürlich auch
Gillian wieder ins Gedächtnis. Sie ließ den Waschlappen hart auf Quinns Rücken
klatschen. »Während du mit Miss Aires tanzt«, sagte sie verärgert.
Quinn zuckte die breiten Schultern.
»Falls sie da ist, Gillian wird die
Stadt verlassen, sobald sie irgendeinem armen Hund ihren Anteil am Hotel angedreht
hat. Sie hat sich nämlich in deinen englischen Freund verliebt.«
Melissa war froh, daß Quinn ihr
Gesicht nicht sehen konnte. »Ich glaube, wer einmal Gillians Anteile kauft,
macht ein gutes Geschäft«, antwortete sie.
»Ich hoffe nur, daß er das Hotel
auch leiten wird«, versetzte Quinn mit
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