Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
einem müden Seufzen. »Ich habe nämlich
nicht vor, im Büro zu sitzen und mir die Vorschläge alter Damen anhören zu
müssen, ich sollte Petunien im Garten pflanzen oder den Küchenchef anweisen,
ein altes Familienrezept auszuprobieren, das jemand zufällig mitgebracht hat.«
Melissa lachte. »Ich könnte mir
vorstellen, daß es interessant ist, ein Hotel zu führen.«
»Komm bloß nicht auf komische
Ideen«, knurrte Quinn.
Melissa hielt es für besser, das
Thema zu wechseln, und außerdem hatte sie plötzlich Heißhunger auf etwas Süßes.
»Meinst du, Mister Wong hätte etwas dagegen, wenn ich mir ein Stück von dem Kirschkuchen
nähme, den er in der Speisekammer versteckt?«
»Ja, nimm dir, soviel du willst«,
antwortete Quinn. Melissa biß sich auf die Lippe und schaute auf die verdunkelten
Fenster, hinter denen Bären, Schlangen und umherstreifende Holzfäller lauern
mochten. »Gehst du mit?«
Quinn nickte. »Sobald ich gebadet
habe, Kleines.«
Er ließ sich Zeit, aber zwanzig
Minuten später war er angezogen und folgte Melissa durch die mondhelle Nacht
zur Kantine hinüber. Sie waren noch keine acht Meter weit gekommen, als eine
ohrenbetäubende Explosion erklang und den Eisenbahnwaggon in tausend Stücke
riß.
Vierundzwanzig
Die Druckwelle warf Melissa nach vorn;
sie roch und schmeckte Tannennadeln und spürte, wie sich Steine in ihr Fleisch
bohrten. Quinn schützte sie mit seinem Körper, bis es aufhörte, Schutt zu
regnen, dann rollte er sich von ihr und schaute sich fluchend um.
Zitternd betrachtete Melissa das
Inferno, das sie beinahe ihr Leben gekostet hätte. Sie schüttelte Tannennadeln
und Schmutz von ihrem Nachthemd und stand mit bebenden Gliedern auf. Und da
kamen schon Frauen und Männer aus allen Richtungen herbeigelaufen.
Quinn packte Melissas Schultern.
»Alles in Ordnung?« fragte er rauh.
Sie nickte, noch zu erschüttert, um
zu sprechen.
»Bleib aus dem Weg, bis das Feuer
gelöscht ist, aber entferne dich nicht zu weit — und nicht allein!« sagte Quinn
beschwörend.
Wieder nickte Melissa stumm. Die
Holzfäller hatten bereits eine mächtige Wasserpumpe in Bewegung gesetzt und
bekämpften das Feuer. Vorsichtig, um nicht auf glühenden Schutt zu treten,
ging Melissa durch das Lager zum Schulhaus hinüber.
Dort fand sie Papier und ein halbes
Dutzend Bleistifte, mit denen sie zum Ort des Geschehens zurückkehrte. Während
die Männer sich bemühten, das Feuer einzudämmen, machte sie sich hastig
Notizen über alles, was sie sah. Leider war die Hälfte ihres Buches durch das
Feuer verlorengegangen, aber darum zu trauern, hatte sie jetzt keine Zeit.
Als das Feuer endlich gelöscht war,
folgte Melissa den anderen Frauen zur Kantine, wo sie sich allein an einen
Tisch setzte und ihre Notizen durchsah. Als jemand eine Decke um ihre Schultern
legte, schaute sie verwundert auf.
Quinn stand mit rußgeschwärztem
Gesicht vor ihr und setzte sich seufzend zu ihr an den Tisch.
»Wie konnte das geschehen, Quinn?«
fragte Melissa. »Der Wagen ist doch bestimmt nicht von selbst explodiert,
oder?«
Quinn schüttelte den Kopf. »Jemand
hatte Dynamit gelegt und zur Sicherheit auch noch Petroleum verschüttet.«
Melissa machte entsetzte Augen.
»Dann wollte uns jemand umbringen!«
Ein Muskel an Quinns Wange zuckte.
»Wahrscheinlich nur mich«, antwortete er, ohne Melissa anzusehen.
»Wer würde so etwas tun, Quinn?«
fragte sie. »Wer könnte sich denn deinen Tod wünschen?«
»Eine ganze Menge Leute«, erwiderte
er bitter. Dann sagte er streng: »Du mußt nach Port Hastings zurückkehren, bis
ich genau weiß, was passiert ist. Du bist hier nicht sicher.«
Melissa rückte näher an ihn und
senkte die Stimme. »Ich bleibe«, antwortete sie entschieden. »Ich würde vor
lauter Sorge um dich ja doch keine Ruhe finden.«
Quinn wandte den Kopf und lächelte
sie flüchtig an, aber es stand auch Trauer in seinen Augen, und er ließ die
Schultern hängen. »Ich frage mich, ob du immer noch dieser Ansicht sein wirst,
wenn ich dir die ganze Wahrheit erzählt habe.«
Bevor Quinn jedoch damit beginnen
konnte, kam eine der Frauen und sagte, sie hätten ihnen ein Bett in einem der
neuen Häuser vorbereitet.
Erst draußen fiel Quinn auf, daß
Melissa keine Schuhe trug, und er hob sie auf die Arme. »Jetzt wirst du einen
großen Teil deines Buches neu schreiben müssen.«
Melissa schlang ihm ihre Arme um den
Nacken. »Im Augenblick bin ich froh, noch am Leben zu sein«, erwiderte sie und
erschauerte bei
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