Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
ganzen Körper. »Mister Rafferty sagt, Sie sollten hinaufkommen«,
berichtete sie. »Sonst würden Sie die Bücher nicht bekommen.«
Melissa stand seufzend auf und ging
nach oben. Quinn saß aufrecht im Bett und sah aus wie ein Mann, der unter einem
schweren Kater litt: er war leichenblaß, und unter seinen Augen zeichneten sich
tiefe Schatten ab.
Ohne ihn zu beachten, ging Melissa
zum Schreibtisch und sammelte ihre Notizbücher ein.
»Es ist alles da, Melissa«, sagte
Quinn, als sie die Bücher zählte. »Glaubst du etwa, ich würde deine Arbeit
zerstören?«
Melissa schluckte und schüttelte den
Kopf. Sie holte ihren begonnenen Roman, weil sie wußte, daß sie Trost beim
Schreiben finden würde, und nicht, weil sie dachte, Quinn würde die Seiten
verbrennen oder zerreißen.
Quinn seufzte schwer.
»Bevor du gehst, Kleines, möchte ich
dir etwas sagen. Ich wußte nicht, daß Henry keine Autorität besaß, uns zu
trauen. Ich schwöre bei Gott, daß ich keine Ahnung davon hatte.«
Melissa schaute ihn nicht an.
»Angenommen, ich glaubte dir, Quinn? Was wäre dann?«
Er schwieg sehr lang. »Ich weiß es
nicht«, gab er schließlich zu.
»Ich verstehe.« Melissa wandte sich
zur Tür, und noch während sie die Treppe hinunterstieg, hoffte sie, daß Quinn
sie zurückrufen würde.
Er brauchte nichts zu tun, als ihr
eine ehrliche, echte Heirat anzubieten, und sie war bereit, zu vergeben und zu
vergessen.
Aber das hatte er offensichtlich gar
nicht vor.
In der Küche wartete Helga schon mit
dem Tee. Doch Melissa hätte es nicht ertragen, sich zu setzen und Tee zu
trinken, während ihre Welt einstürzte. So schüttelte sie nur den Kopf und ging
hinaus.
Auf dem Rückweg zum Hotel begegnete
ihr Mitch Williams, der sich zu ihrer großen Überraschung in Begleitung von
Sir Ajax Morewell Hampton befand. Ajax ergriff lächelnd ihre Hand und führte
sie an seine Lippen. »Du gehörst also wieder mir«, sagte er zufrieden lächelnd.
»Stell dir meine Freude vor, als ich in Port Hastings ankam und die Nachrichten
erfuhr!«
Melissa zog ihre Hand zurück. Sie
fühlte sich schwer gedemütigt. »Ich gehöre dir nicht«, sagte sie scharf zu
ihrem ehemaligen Verlobten. »Ich habe dir nie gehört und werde es auch nie.
Guten Tag.«
Doch Ajax ergriff ihren Arm und zog
sie in eine unbelebte Seitenstraße.
»Du scheinst nicht zu begreifen«,
meinte er beschwörend. »Ich habe Elke nach Europa zurückgeschickt, Melissa,
und verlasse diese Stadt nicht eher, bis ich dich zurückgewonnen habe.«
Melissa entzog ihm ihren Arm. »Du
verschwendest deine Zeit!« antwortete sie gereizt. »Zum hundertstenmal, Ajax —
ich liebe dich nicht!«
Ajax machte ein verwundetes Gesicht.
»Wie kannst du das sagen? Vor einem Monat wolltest du mich noch heiraten!« Er
schaute Melissa flehend an. »Ist es, weil du dich diesem Mann hingegeben hast,
daß du Angst hast, zu mir zurückzukommen? Weißt du, Kleines, wir werden einfach
so tun, als hättest du diese Indiskretion nie begangen!«
Das gab den Ausschlag. Melissa war
am Ende ihrer Geduld angelangt. Sie ließ ihr Schreibmaterial auf den Boden
rutschen und schlug Ajax so hart ins Gesicht ; daß man den roten Abdruck ihrer Hand auf seiner Wange sehen konnte.
Für einen Moment fürchtete sie sich,
denn Ajax ballte die Fäuste, aber da erschien Mitch, drängte sich an Ajax
vorbei und begann Melissas Notizbücher aufzusammeln. Das Dröhnen ihres eigenen
Herzschlages klang Melissa in den Ohren, als sie sich bückte, um ihm zu helfen.
Frank Crowley, der Bankier, vermochte
seine Erregung kaum zu verbergen. Er rutschte nervös auf seinem Sitz herum und
musterte Melissa aus listigen kleinen Augen. »Sie nehmen es mir sicher nicht
übel. Mrs. Rafferty«, sagte er, »daß ich es merkwürdig finde, daß Ihr Gatte
nicht zugegen ist.«
Melissa hatte Quinn eine volle Woche
nicht gesehen. Jetzt, wo sie ein Haus für ihre Zeitung gefunden hatte, in dem
sie auch wohnen konnte, wollte sie nicht mehr an ihn denken und ein neues Leben
beginnen. Ohne Quinn.
»Nennen Sie mich bitte nicht Mrs.
Rafferty«, erwiderte sie kühl. »Wie ganz Port Riley weiß — und Sie sicher
auch —, waren Quinn Rafferty und ich nie legal verheiratet. Ich bin getäuscht
worden.«
Es fiel Mister Crowley schwer, seine
Neugier zu beherrschen, aber die Aussicht, Melissas beachtlichen Treuhandfonds
in seiner Bank zu haben, ließ ihn vorsichtig sein. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
erkundigte er sich lächelnd.
»Ich brauche ein Darlehen, um
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