Corkle 1
die Vokale rein und klar.
»Ja, und?«
»Ich wüßte gern, ob Sie in der nächsten halben Stunde frei sind. Ich käme gern auf einen Sprung vorbei, um mich mit Ihnen zu unterhalten.«
»Springen Sie ruhig los«, sagte ich. »Ich bin hier.«
»Besten Dank. Bis gleich.«
Ich verabschiedete mich und hängte ein.
Weatherby klopfte zwanzig Minuten später an die Tür. Ich bat ihn herein und deutete auf einen Sessel. Er sagte, er würde einen Whisky mit Soda annehmen, als ich ihn fragte, ob er etwas trinken wollte. Ich sagte, ich hätte kein Soda, und er sagte, Wasser sei ihm ebenso lieb. Ich mixte die Drinks und setzte mich ihm gegenüber. Wir sagten Cheers und tranken einen Schluck. Er zog eine Packung Senior Service hervor und bot sie mir an. Ich nahm eine Zigarette und Feuer von ihm.
»Nettes Hotel, das Hilton«, sagte er.
Ich nickte.
»Wissen Sie, Mr. McCorkle, manchmal gerät man in recht merkwürdige Situationen. Diese Geschichte mit Mittelsmännern mag Ihnen vielleicht etwas weit hergeholt erscheinen, aber …« Er zuckte mit den Schultern und ließ den Satz unbeendet verklingen. Seine Kleidung war englisch, und sie stand ihm. Ein braunes Tweedjackett zu einer dunklen Flanellhose, die nicht beutelte. Alte, aber sorgfältig gepflegte, grobgenarbte Halbschuhe, die bequem aussahen. Eine Strickkrawatte aus schwarzer Seide. Seinen Regenmantel hatte ich über einen Stuhl gelegt. Er war in meinem Alter, vielleicht ein paar Jahre älter. Er hatte ein langes, schmales Gesicht mit kräftiger roter Nase und vorspringendem Kinn, das gerade noch kein Grübchen hatte. Er trug einen Schnurrbart im Stil der Royal Air Force, und sein Haar war lang und vom Regen etwas feucht. Es war sandfarben wie auch sein Schnurrbart.
»Wissen Sie, wo Padillo ist?« fragte ich.
»Aber ja. Das heißt, ich weiß, wo er diese Nacht war. Er ist ganz schön in Bewegung, wissen Sie.«
»Nein«, sagte ich, »das weiß ich nicht.«
Er sah mich einen Augenblick lang fest an. »Nein, vermutlich wissen Sie es nicht. Vielleicht sollte ich es Ihnen erklären. Früher war ich hier in Berlin für die Regierung tätig. Dabei habe ich Padillo recht gut kennengelernt. Wir haben mehr oder minder auf dem gleichen Gebiet gearbeitet und es gab einige gemeinsame Projekte. Ich habe noch Kontakte im Osten – tatsächlich sogar eine ganze Menge guter Freunde. Padillo hat sich mit mir in Verbindung gesetzt, und ich habe ihn mit meinen Freunden zusammengebracht. Er war bei ihnen – bleibt aber ziemlich in Bewegung, wie ich schon sagte. Ich glaube, Sie haben durch eine Miss Arndt eine Nachricht von ihm erhalten.«
»Ja.«
»Gut. Also, meine weiteren Instruktionen lauten, Sie heute hier im Hilton zu treffen, und heute abend um zehn sollen wir im Café Budapest sein.«
»Das ist in Ostberlin.«
»Richtig. Aber das ist kein Problem. Ich stelle das Fahrzeug, und wir fahren hinüber. Sie haben doch Ihren Paß dabei, nicht wahr?«
»Ja.«
»Gut.«
»Und dann?«
»Dann werden wir vermutlich auf Padillo warten.«
Ich stand auf und griff nach Weatherbys Glas. Er trank schnell den letzten Schluck aus und reichte es mir. Ich mixte zwei weitere Drinks.
»Vielen Dank«, sagte er, als ich ihm sein Glas reichte.
»Um ehrlich zu sein, Mr. Weatherby, diese ganze Geschichte gefällt mir nicht besonders. Wahrscheinlich, weil ich sie nicht verstehe. Haben Sie eine Ahnung, warum Padillo in Ostberlin ist oder warum er nicht einfach über den Checkpoint Charlie zurückkommt? Er hat doch seinen Paß.«
Weatherby stellte behutsam das Glas ab und zündete sich eine neue Zigarette an. »Alles, was ich weiß, Mr. McCorkle, ist, daß ich in Dollar von Mr. Padillo – ich nehme wenigstens an, von Mr. Padillo – für das bezahlt werde, was ich tue und was ich tun werde. Ich habe nach seinen Motiven, seinen Zielen oder seinem modus operandi nicht gefragt. Meine Neugier ist nicht mehr so – also, sagen wir, sie ist nicht mehr so groß, wie sie einmal war. Ich leiste einfach ein Stück Arbeit … Eine Arbeit, zu der ich besonders befähigt bin.«
»Was passiert heute abend in diesem Café?«
»Wie gesagt werden wir vermutlich Padillo treffen, und er wird uns sagen, was er braucht. Falls er etwas braucht.« Er erhob sich. »Ich hole Sie heute abend um neun ab. Herzlichen Dank für die Drinks.«
»Es war mir ein Vergnügen«, sagte ich.
Weatherby nahm seinen Regenmantel über den Arm und ging. Ich setzte mich wieder in meinen Sessel und versuchte mich zu entscheiden, ob ich
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