Corkle 1
es auf Neid, zum Teil beruhte es auf Wahrheit, und nichts würde irgend etwas daran ändern. Ich hatte es schon lange aufgegeben, mich wegen meiner Nationalität stolz oder schuldig zu fìihlen, und für beides gab es reichlich Gründe. Ich hatte ein Leben zu führen und tat das, so gut ich konnte, paßte mich den wechselnden Regeln an, mied nach Möglichkeit hohles Geschwätz, betrieb vielleicht ein wenig Eskapismus, legte aber großen Wert auf ein paar Dinge, die mir immer noch wichtig vorkamen, obwohl auch sie allmählich etwas abgenutzt und schäbig zu werden schienen.
»Herr Maas, ich brauche heute keinen Vortrag in Staatsbürgerkunde. Ich möchte nur, daß Sie zur Sache kommen, falls es eine gibt.«
Maas gönnte mir einen seiner Seufzer. »Es schockiert mich nicht mehr, mein Freund, was Menschen Menschen antun. Illoyalität entsetzt mich nicht mehr. Niedertracht kommt mir als die Regel vor, nicht als Ausnahme. Aber aus all dem kann man oft Gewinn ziehen. Das zu tun ist mein Geschäft. Sehen Sie.« Er zog den linken Jackenärmel hoch, knöpfte die Manschette auf und krempelte sie über den Unterarm. »Sehen Sie das?« sagte er und deutete auf eine Reihe Ziffern, die auf die Innenseite seines speckigen Arms tätowiert war.
»Eine KZ-Nummer«, sagte ich.
Er rollte den Ärmel wieder herunter und knöpfte ihn zu. Er lächelte, aber ohne jeden Humor. »Nein, es ist keine KZ-Nummer, wenn es auch so aussieht. Ich habe sie mir im April 1945 eintätowieren lassen. Sie hat mir mehrmals das Leben gerettet. Ich bin in Konzentrationslagern gewesen, aber niemals als Häftling, Herr McCorkle. Können Sie mir folgen?«
»Das ist nicht schwierig.«
»Wenn es notwendig war – und einträglich –, dann war ich ein Nazi. Als das nicht mehr modern war, wurde ich ein Opfer der Nazis. Sind Sie jetzt schockiert?«
»Nein.«
»Gut. Dann können wir vielleicht zum Geschäft kommen.«
»Wir haben also eins miteinander, nehme ich an?«
»Ja, wir haben eines bezüglich Herrn Padillo. Sehen Sie, er war der Hauptgrund für meine Reise nach Bonn.«
»Wer war der andere Mann?«
Maas machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ein kleiner Agent, der ein paar Waffen kaufen wollte. Wirklich ohne jede Bedeutung. Er hatte kaum Geld. Aber ich war gekommen, weil ich Herrn Padillo sprechen wollte. Und an diesem Punkt beginnt die Ironie der Geschichte, Herr McCorkle, und vielleicht auch ihr Trübsinn. Ihr Lokal ist ziemlich dunkel, nicht wahr? Es gibt wenig Licht?«
»Das stimmt.«
»Wie ich schon sagte, der kleine Mann hatte keine Bedeutung. Ihr Lokal ist schlecht beleuchtet, darum kann ich nur annehmen, daß jemand einen Fehler gemacht hat. Die beiden zudringlichen Herren haben den Falschen erschossen. Sie sollten mich umbringen.« Maas lachte. Es klang ebenso humorvoll wie das »Haha«, das manche Leute in Briefen schreiben.
»Trübsinnig daran ist, wenn ich Sie recht verstehe, daß nicht Sie erschossen wurden. Es ist zwar nicht die komischste Geschichte, die ich je gehört habe, aber sie hat etwas.«
Maas griff in seine Aktentasche und wühlte darin herum. Er holte eine lange, gefleckte Zigarre heraus. »Kubanisch«, sagte er. »Möchten Sie eine?«
»Das wäre Vaterlandsverrat.«
Maas setzte die Zigarre in Brand, zog versuchsweise ein paarmal. »Ich hatte Informationen über den derzeitigen Auftrag von Herrn Padillo, die ich ihm verkaufen wollte. Verstehen Sie, Herr McCorkle, Männer mit den Talenten von Herrn Padillo sind rar. Es ist schwer, solche Männer zu finden, und sie werden hochgeschätzt. Im Verlauf ihrer Tätigkeit schaffen sie sich Feinde, weil ihre Aufgabe in erster Linie darin besteht, die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne ihrer Gegner zu vereiteln. Durch seine Sprachkenntnisse und seine persönliche Findigkeit war Herr Padillo sehr erfolgreich in der Erledigung seiner Aufträge. Hat er Ihnen je davon erzählt?«
»Wir haben nie darüber gesprochen.«
Maas nickte. »Er ist auch ein besonnener Mann. Aber wie ich schon sagte, er war bemerkenswert erfolgreich. Im Verlauf seiner Arbeit hielt er es für erforderlich, einige recht prominente politische Figuren zu beseitigen. Nein, nicht solche, die Schlagzeilen machen, aber solche, die wie Herr Padillo in den Schattenzonen der internationalen Politik arbeiten. Er ist, wie ich aus zuverlässigen Quellen weiß, einer der Besten.«
»Er macht auch einen erstklassigen heißen Butterrum«, sagte ich.
»Aha. Das Lokal in Bonn als Tarnung. Wirklich ausgezeichnet. Aus
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