Corkle 1
Bierglas ein Muster auf die Tischplatte. »Ich will nicht irgendwie unhöflich sein, aber wie soll ich wissen, daß Sie tatsächlich das sind, was Sie behaupten? Ich frage rein aus Neugier, aber haben Sie zufällig so einen kleinen schwarzen Ausweis, der gewissermaßen Ihre Glaubwürdigkeit bestätigt?«
Wieder explodierte sein Lächeln. »Wenn ich einen habe, dann ist er in Bonn oder Washington oder München. Burmser hat mir gesagt, ich soll Ihnen eine Telefonnummer wiederholen.« Das tat er. Es war die gleiche, die Burmser an diesem Morgen für mich auf einen Zettel geschrieben hatte.
»Das muß mir wohl genügen.«
»Wie gefällt sie Ihnen?«
»Was?«
»Die Uniform? Der Anzug, die Frisur – das image ?« Er sagte tatsächlich image.
»Sehr jazzy. Sehr schick.«
»So soll es wirken. Ich bin das, was Ihre englischen Freunde einen Spiv nennen. Teilzeit-Spitzel, Zuhälter – sogar ein bißchen Marihuana.«
»Wo haben Sie Deutsch gelernt?«
»In Leipzig. Ich bin dort geboren. Aufgewachsen bin ich in Oshkosh.«
Ich hatte es ziemlich genau getroffen.
»Wie lange machen Sie das schon – was es auch sein mag?« Ich kam mir wie ein Primaner vor, der eine Hure fragt, wie sie »gefallen« ist.
»Seit ich achtzehn bin. Über zehn Jahre.«
»Macht es Ihnen Spaß?«
»Gewiß. Es geschieht im Dienst einer guten Sache.« Das sagte er wirklich.
»Und was ist an mir interessant? Und an Padillo?«
»Mr. Padillo hatte einen Auftrag in Ostberlin. Er sollte gestern schon hier sein, ist aber nicht aufgetaucht. Jetzt kommen Sie auf einmal nach Berlin. Deshalb nehmen wir an, daß Sie mit Mr. Padillo in Verbindung stehen. Klar?«
»Nicht ganz.«
»Viel mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, Mr. Mc-Corkle. Mr. Padillos Verhalten ist unverständlich und ergibt nicht viel Sinn. Daß er die beiden Touristen gestern im Savigny sitzenließ und Feuerzeug und Zigarettenetui zurückgelassen hat, dieses Ausweichmanöver gibt uns Rätsel auf. Ferner versteht Mr. Burmser nicht, warum Sie in Berlin sind, außer, Sie wollen sich mit Mr. Padillo treffen. Sie scheinen den Schlüssel zu haben, und deswegen wollen wir Sie nicht aus den Augen verlieren.«
»Glauben Sie, Padillo macht Spielchen? Als Doppelagent oder derlei?«
Er hob die Schultern. »Er benimmt sich zu auffällig. Mr. Burmser hatte nur ein paar Minuten Zeit, mich einzuweisen. Ich habe daraus entnommen, daß er Padillos Verhalten einfach nicht begreift. Vielleicht hat er einen guten Grund, vielleicht nicht. Ich soll Sie im Auge behalten. Wir wollen nicht, daß Ihnen etwas passiert, ehe wir Padillo finden.«
Ich stand auf und beugte mich über den Tisch. Ich starrte ihn einen langen Moment an. Dann sagte ich: »Wenn Sie das nächste Mal mit Mr. Burmser sprechen, sagen Sie ihm folgendes: Sagen Sie ihm, ich bin rein privat in Berlin und mag es nicht, wenn man mich verfolgt. Sagen Sie ihm, ich mag seine Herablassung nicht und ihn selbst auch nicht. Und sagen Sie ihm, wenn mir einer seiner Helfer in die Quere kommt, trete ich dem vielleicht auf die Füße.«
Ich drehte mich um und ging an dem Barmann mit den veilchenblauen Augen vorbei. Ich winkte einem Taxi und ließ mich zum Hilton bringen. Unterwegs sah ich mich zweimal um. Ich glaubte nicht, daß ich verfolgt wurde.
8
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, regnete es. Es war der düstere, triste, graue deutsche Regen, der einsame Menschen noch einsamer macht und die Selbstmordrate hochtreibt. Ich blickte aus dem Fenster über Berlin hinweg, und es war keine zähe, lebensfrohe, zu Witzen neigende Stadt mehr. Es war nur eine Stadt im Regen. Ich griff nach dem Telefon und bestellte mir Frühstück. Nach der dritten Tasse Kaffee und einem Blick in die Herald Tribune zog ich mich an.
Dann saß ich in einem Sessel, rauchte die siebte Zigarette an diesem Tag und wartete darauf, daß etwas passierte. Ich wartete den ganzen Vormittag. Das Zimmermädchen kam, machte das Bett, leerte die Aschenbecher und sagte mir, ich solle die Füße hochheben, während sie den Teppich saugte. Um elf Uhr fand ich, es sei Zeit, einen Schluck zu trinken. Damit schlug ich zwanzig Minuten tot, und ein weiterer Drink überbrückte die Zeit bis Mittag. Es war ein langweiliger Vormittag.
Um viertel nach zwölf klingelte das Telefon.
»Mr. McCorkle?« Es war eine Männerstimme.
»Am Apparat.«
»Mr. McCorkle, ich bin John Weatherby. Ich rufe für Mr. Padillo an.« Die Stimme klang englisch und gebildet. Die Konsonanten kamen deutlich,
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