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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas
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Padillo.
    »Spiele ein bißchen Saxophon in einer von Wohlgemuths Kneipen. Mache gelegentlich Botengänge oder fange, wie heute, Streit an, wenn’s nötig ist.«
    »Wie sieht’s in Frankfurt aus?«
    »Ein Mann mit einem Wagen wartet auf Sie und gibt Ihnen die Schlüssel. Das Weitere liegt bei Ihnen.«
    »Woran wird er uns erkennen?«
    »Wird er nicht. Aber Sie erkennen ihn. Er ist mein Zwillingsbruder.«

19
    Ein Captain der Militärpolizei, begleitet von einem Staff Sergeant mit ledernem Gesicht und blinzelnden blauen Augen, trat sofort an Padillo heran, nachdem er am Schalter der PanAm seinen Flugschein hatte abfertigen lassen.
    »Zeigen Sie mal Ihren Marschbefehl, Sergeant.«
    Padillo knöpfte langsam seinen Regenmantel auf und griff nach seiner Hosentasche, als die Frau aufschrie. Der Schrei war schrill und durchdringend, und sie legte ihre ganze Seele hinein. Er kam aus einer Entfernung von etwa einem Dutzend Schritte links von uns. Ich drehte mich um und sah einen fülligen Mann von etwa dreißig Jahren zu einem ungeschickten Schlag nach unserem Fahrer ausholen. Der Neger wich ihm elegant aus und zückte sein Rasiermesser. Der Weiße fixierte ihn und fing an, seinen Mantel auszuziehen. Er schien es damit nicht eilig zu haben. Eine Frau stand dicht bei dem Weißen und preßte eine schwarze Handtasche gegen ihr Kinn. Sie war blond und pummelig, und es gelang ihr gut, erschrocken und verängstigt auszusehen. Eine Menschenansammlung bildete sich.
    Der Neger bewegte sich gegen den Uhrzeigersinn um den Mann herum. Er schlurfte jetzt, tänztelte nicht mehr. Seine Arme waren weit gespreizt, das Rasiermesser funkelte in der rechten Hand, mit der Schneide nach oben. Er schien zu wissen, was er tat.
    »Los, weißer Boy, komm doch«, höhnte der Neger leise. Sein Akzent war jetzt wieder pure Melasse. »Hier sin’ wir nich’ in ’n Staaten, komm doch, weißer Boy.«
    Der Weiße schien den Neger zu studieren, während er sich mit ihm drehte. Dann schleuderte er dem Neger plötzlich seinen zusammengeknäulten Mantel ins Gesicht. Er folgte dem Mantel – mit einem Hechtsprung nach den schlurfenden Beinen. Für sein Gewicht bewegte er sich schnell. Beide stürzten zu Boden und wälzten sich. Der Neger stieß einen lauten Schrei aus. Der MP-Captain und sein Sergeant befanden sich mitten in der Menge und versuchten, das Durcheinander von Armen und Beinen zu entwirren. Über den Lautsprecher rief eine Stimme den PanAm-Flug nach Frankfurt aus. Padillo und ich drängten Symmes und Burchwood zu dem Durchgang, der zu den Warteräumen führte.
    Es war Flug 675 der Pan American, der in Tempelhof um 16.30 Uhr starten und auf dem Rhein-Main-Flughafen um 17.50 Uhr landen sollte. Der Start erfolgte mit drei Minuten Verspätung, und wir kamen als letzte an Bord. Wohlgemuths Termine waren etwas riskant geplant, aber es hatte geklappt. Wir fanden noch Plätze nahe beieinander. Ich saß neben Burchwood, Padillo neben Symmes. Keiner von beiden sprach mit uns.
    Es war ein langweiliger Flug, und ich behielt meinen Regenmantel an. Den Revolver hatte ich in der Tasche, und ich versuchte mich zu erinnern, wie viele Schüsse ich abgegeben hatte und ob überhaupt noch Patronen darin waren. Ich kam zu dem Schluß, daß es keine Rolle spielte, da ich so bald sowieso nicht mehr auf jemanden schießen würde. Ich saß auf meinem Sitz am Mittelgang und starrte vor mich hin, und als ich das sattbekommen hatte, bewunderte ich die Beine der Stewardeß und gab mich leicht erotischen Phantastereien hin. Das vertrieb die Zeit.
    Wir landeten um 17.52 Uhr in Frankfurt und stiegen mit den übrigen Passagieren die Gangway hinunter. Ständig gingen mir Verballhornungen des Lieds Shell Be Comin' Round the Mountain durch den Kopf, etwa »Niemand wird uns hier erwarten, niemand wird uns hier begrüßen …« und dann ein paarmal dada-da, da-da-da, um die Strophe vollzukriegen. Den anderen Passagieren wurden die Hände geschüttelt, die Wangen geküßt und der Rücken geklopft; alles, was uns empfing, war die Andeutung eines Nickens von einem Neger, dessen Zwilling ich zuletzt vor einer Stunde und zwanzig Minuten gesehen hatte, wie er auf dem Boden lag und, ein Rasiermesser in der rechten Hand, mit Armen und Beinen um sich schlug.
    Padillo ging auf ihn zu und sagte: »Wohlgemuth schickt uns. Wir haben uns gerade von Ihrem Bruder in Berlin verabschiedet.«
    Der große Neger musterte uns aufmerksam, schien unendlich viel Zeit zu haben. Er trug ein am Hals offenes Hemd,

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