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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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mich auf den Weg.
          
          Die Tage der Wanderung wiederholten sich. Heuschrecken, die mich verfolgten, Brot und Schinken, die mich von innen schützten, und abends, wenn ich vor Erschöpfung nicht mehr konnte, erschienen eine Bäuerin oder ein Bauer, ein Kaufmann oder dessen Frau, boten mir Quartier für die Nacht und etwas zu essen. Ich war zu Gast im Aloisiushaus.
          Es schien sich nicht um die Hütte zu handeln, in der ich die Tage mit Darius verbracht hatte. Das Aloisiushaus musste ein unsichtbares Gemäuer um mein Leben sein, das mich begleitete. Warum? Hatte ich vor lauter Untauglichkeit Schutz nötig? Hatte ein Gott beschlossen, mich in ein Leben einzuladen, das ich nicht kannte? Kannte ich überhaupt mein eigenes Leben? Oder sollte ich wie ein Versuchskaninchen von Anfeindung und Unterstützung verfolgt werden, bis ich einen Weg für mein Leben gefunden hätte?
          Ich war auf der Suche. Meine Ziele hatten sich in meiner Veranlagung aufgelöst. Ohne Lügen kein Praktikum, ohne Praktikum kein Studium. Talent und Begabung spielten keine Rolle. Aber weshalb die Gastfreundschaft des Aloisiushauses, wenn ich mit meiner Wahrheit doch gegen göttliche Moral verstieß? Hatten nicht die Heuschrecken recht, die mich beschimpften?
          Das Haus redete mit mir. Nicht mit dröhnender Stimme in Worten, die seine Mauern erbeben ließen, nicht durch sich aufeinander reibende Ziegel, die Geheimnisse wisperten. Die wären gegen das Konzert der Heuschrecken nicht angekommen. Der Zettel, auf dem ich der Bäuerin meinen Dank geschrieben hatte, lag am nächsten Morgen auf dem Küchentisch der Kaufmannsfamilie, die mich aufgenommen hatte.
          »Wir sind nur die Waffen, der Kämpfer bist du«, stand in Sütterlin unter meinen Zeilen. Die Küche war so leer wie die am ersten Tag meiner Wanderung. Die Milch war nicht gerade erst gemolken, sondern gekühlt, das Brot roch warm und klebte vor Frische am Messer. In einer Pfanne standen gebratene Eier mit Speck auf dem Tisch, in einem Tonkrug Erdbeerkonfitüre, auf einem Holzbrett Butter. Doch weder der Hausherr noch die Hausherrin waren da. Wie immer betete ich, bevor ich begann.
          Der Zettel lag unter meinem Teller und ich sah ihn erst, als ich das Geschirr zur Spüle trug, um es abzuwaschen.
          »Wir sind nur die Waffen, der Kämpfer bist du.«
          Was sollte das? Natürlich dachte ich an die Heuschrecken, die mich verfolgten, an die wundersamen Begegnungen, die mir Kraft gaben, aber was für einen Kampf kämpfte ich? War es meiner? Was sollte ich mit dieser Zeile anfangen, was wollte sie mir sagen, was konnte ich darauf antworten?
          Nachdem ich das Geschirr sauber und abgetrocknet auf die Anrichte des Küchenschranks gestellt hatte, nahm ich mir einen Stift, wiederholte meinen Dank und schrieb darunter die Fragen: »Welcher Kampf, worum geht es darin?«
          Ich schulterte meinen Rucksack, ging in den kalten sonnigen Tag und setzte mich den Beschimpfungen der Heuschrecken aus. ›Wir sind zwar warm und brüderlich, doch warme Brüder sind wir nicht‹, sangen sie und hüpften in dichten Schwärmen vor mir auf. ›Man ist nicht anders, nur weil man am anderen Ufer steht.‹
          Eines der Tiere sprang auf meine Schulter und von dort auf mein Ohr. ›Bekommst du beim Scheißen eigentlich nen Steifen?‹ Ich wischte es mit meiner Hand ab und versuchte, die Gesänge zu ignorieren. Wenn etwas lange genug andauert, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es zermürbt einen, wie der sprichwörtliche Tropfen den Stein – oder man gewöhnt sich daran und hört es nicht mehr.
          Ich habe mich für die zweite Möglichkeit entschieden. Nicht alles in mir hat auf meine Entscheidung gehört.
          Am dritten Morgen, ich war wieder bei einem Bauern, hatte abends vor dem Schlafen gehen dort sogar ein Bad nehmen können, lag mein Zettel auf dem Stuhl, als ich mich setzen wollte. Klopfenden Herzens nahm ich ihn auf. Meine Danksagungen standen darauf, die merkwürdige Bemerkung und meine Frage. Doch nicht, wonach ich suchte, nicht, was ich voller Spannung erwartete. Eine Antwort. Der Zettel lag da, wie ich ihn am Morgen zuvor zurückgelassen hatte.
          Enttäuscht setzte ich mich an den Tisch, betete und aß. Immer wieder schaute ich auf das Stück Papier. Inbrünstig hoffte ich, wie von Geisterhand geschrieben würden in geschwungenem Sütterlin Worte darauf erscheinen. Ich atmete nicht, mein

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