Cosm
deshalb habe ich mich für einen eher technischen Ansatz entschieden.«
»Ausgerechnet Sie? Für den Mathematik gleich Wahrheit ist?«
Er nickte schuldbewußt. »Die Sache ist die, wir können die Masse des Cosm und die Gezeitenkräfte messen, also fangen wir damit an. Wenn sich diese beiden Werte im Lauf der Zeit verändern, gibt uns das eine Grundlage, auf der ich die erforderliche Raumzeitkrümmung errechnen kann. Und daraus kann ich wiederum die Belastungsenergie ableiten und mir überlegen, ob das alles physikalisch möglich ist.«
»Es muß möglich sein – es existiert ja!«
»Schon, aber ich will herausfinden, mit welcher Feldtheorie wir einen Cosm bekommen, verstehen Sie?«
»Was ist mit der Masse, die wir bereits gemessen haben?«
»Die habe ich mit einbezogen. Die Lösung lautet, daß die Belastungsenergie in der Nähe des Schlundes auffällig ist, aber den bekannten, physikalischen Gesetzen auf den ersten Blick nicht widerspricht. Natürlich ist negative Energiedichte erforderlich – dieses exotische Zeug, das den Schlund offenhält. Und dann wurde mir auf einmal klar, daß wir noch eine wichtige Tatsache kennen – den Umstand, daß Sie noch am Leben sind.«
Sie blinzelte überrascht. »Was heißt das?«
»Sie waren der erste Mensch, der den Cosm berührt hat, richtig? Sie sind nicht daran gestorben – ebensowenig wie später Zak oder ich – wie ausgefallen das Zeug, das den Schlund offenhält, also auch immer sein mag, es fällt nicht auseinander, wenn es mit gewöhnlicher Materie in Berührung kommt. Aber es kann Materieund fast alle Strahlung abstoßen, sonst wären wir längst mit heißem Plasma überschwemmt worden.«
»Das gilt genauso für die Kugel von Brookhaven.«
»Natürlich! Ein Fall wäre ein Wunder, aber zwei ergeben schon eine Statistik. Das heißt, es gibt eine ganze Klasse von Gleichgewichtszuständen für solche Objekte. Wieso? Vielleicht hat es etwas mit dem Aufeinanderprallen von exakt polarisierten Uranatomen zu tun – was weiß ich. Jedenfalls habe ich auf Grund dieser Tatsache eine Theorie ausgewählt, die mir steinharte Kugeln liefert, und jetzt traue ich auch dem Unterbau.«
»Aha! Und wie sehen wir jetzt die Sterne?« Sie lächelte. Typisch Theoretiker, er war so hingerissen von der erhabenen Schönheit seines Gedankengebäudes, daß er den Ausgangspunkt darüber ganz vergessen hatte.
»Äh … die Kugel, ja, die Lösungen zeigen, daß sich auch am anderen Ende eine Kugel befinden muß. Ein Chromball im All inmitten eines expandierenden Universums, der wie ein Maxwellsches Fischauge alles Licht im Umkreis sammelt, so daß wir uns umsehen können, als ob wir selbst dort wären. Wir brauchen nur den Kopf zu drehen, um im Cosm herumzuspazieren. Doch das Universum dünnt bereits aus, die Materie strömt auseinander. Daher kann es durchaus sein, daß sich in der Nähe nichts Interessantes befindet. Folglich brauchen wir ein Teleskop, um den Himmel im Umkreis eines bestimmten Punktes abzusuchen.«
»Muß ich jetzt auch noch Astronomin werden?«
»Ja. Aber in einem Universum, das sich mehrere Millionen Mal schneller bewegt als das unsere. Also bewegen sich auch ferne Sterne, während man sie betrachtet.«
»Und sehen wie verschwommene Lichtflecke aus?«
Max zuckte die Achseln, eine lästige Angewohnheit aller Theoretiker, wenn sie ein Detail für unwichtig erachteten. »Vermutlich.«
Vermutlich. Die Idee klang vernünftig, aber man mußte sehr schnell und sehr genau hinsehen, um etwas zu erkennen. Dazu waren neue Geräte erforderlich:
• Hochgeschwindigkeitskamera 5 ns/Aufnahme, 50 ns Pause, Kapazität 3 Aufnahmen
• Schlierenkamera, eine Aufnahme von 10 ns Länge
• Hochgeschwindigkeitskamera für Röntgenaufnahmen
Mit dieser Liste ging Alicia zum Fachbereichsvorsitzenden Onell. Sie hatte die Forschungsmittel, die ihr vom Energieministerium bewilligt worden waren, restlos aufgebraucht, und wenn sie nicht sofort eine Finanzspritze bekam, konnte sie ihre Arbeit nicht fortsetzen. Onell sagte ihr, vorbehaltlich der Einwilligung von Dekan Lattimer, die Unterstützung zu, wenn sie ›sich als gute Campus-Bürgerin erweise‹. Auf die Frage, was er damit meine, fing er wieder mit dem Minderheitenprogramm an. Daraufhin verließ sie sein Büro und ging direkt zum Dekan. Nicht sehr diplomatisch, aber sie hatte es eilig, und außerdem war Sommer, und zumindest in dieser Zeit wollte sie von akademischen Schwafelsitzungen verschont bleiben. Wie lautete noch
Weitere Kostenlose Bücher