in der chaotischen Welt der Kernphysik wurden die UC-Irvine und das Brookhaven National Laboratory ins grelle Licht der nationalen Öffentlichkeit gerückt. Wir werden Zeugen eines Dramas, das die Kurzsichtigkeit des Menschen in ernüchternder Weise sichtbar macht. Die Folgen dieser Art von Forschung sind gravierend, man denke nur an die ungewollte Erzeugung einer ganzen Klasse noch nie dagewesener, physikalischer Objekte, doch die Physikergemeinde zeigt bislang wenig Einsicht in ihre Verantwortung. Aus verschiedenen Gründen, die wir noch näher ausführen werden, halten wir es für angebracht, eventuell sogar auf Bundesebene (woher ja auch die Forschungsmittel stammen), einen nationalen Sonderausschuß einzuberufen, der das weitere Studium dieser Objekte in kontrollierender und beratender Funktion begleiten sollte. Schon jetzt ist der materielle Schaden gewaltig, Verluste an Menschenleben sind zu beklagen, die Zeitungsberichte über den Streit der beiden Institutionen strotzen vor Bitterkeit – und alles nur wegen zweier glänzender Kugeln, deren Bedeutung niemand erklären kann …
To:
[email protected] From:
[email protected] Sie sind genau wie alle Profs. An Ihren Studenten denken Sie wohl gar nicht mehr? Sie wissen schon, an den Jungen, DER FUER SIE GESTORBEN IST, nur, weil Sie was genommen haben, was nicht Ihnen gehoert. Die Studenten zahlen Ihr Gehalt, aber Sie behandeln sie wie Hunde oder noch schlechter, und über SIE hoert man kein Wort. Jetzt gibt’s noch ein groesseres von den Dingern, und Sie haben verdammt viel Glück gehabt, daß es nicht noch jemanden umgebracht hat. Sie spielen mit GANZEN UNIVERSEN; das ist das schweinischste Experiment, das ihr arroganten Profs euch jemals ausgedacht habt. SCHAEMEN Sie sich!
Alicia hatte einen ziemlich erfolglosen Tag hinter sich, als sie das Labor verließ. Sie mied den gebührenpflichtigen Pacific Coast Highway und fuhr auf verkehrsärmeren Straßen zum Strand, um noch einen Spaziergang in der Dämmerung zu machen. Am Abend war sie mit ihrem Dad in einem neuen Restaurant im Zentrum von Laguna verabredet. Sie lauschte dem Rauschen der Wellen und atmete den herben Duft des Meeres, bis auch der letzte Schein des Sonnenuntergangs erloschen war und das Licht der Halogenlampen fast obszön aus dem Dunkel züngelte.
Orange County mit seinen langen Palmenalleen imitierte zwar eifrig alle Spleens der großen Welt, war aber doch nicht ganz so überdreht wie L.A. Noch gab es im Postamt keine Angestellten, die einem das Auto parkten. Und wenn es regnete, wurden die Strafmandate nicht, wie in Beverly Hills, in Schutzhüllen gesteckt. Es gab auch keine Wasserbars mit fünfzig Sorten Mineralwasser zu zwei Dollar das Glas, gekühlt, aber ohne Eis, weil das die regionalen Geschmacksvarianten verdorben hätte. Und wenn man im Polizeirevier anrief und warten mußte, drang keine klassische Musik aus dem Hörer.
Alicia verließ den Strand und schlenderte die Ocean Avenue entlang. Vor dem Sea Lounge waren reihenweise Motorräder, zumeist Harleys, abgestellt. Die Fenster waren offen, und sie warf einen Blick hinein. Der Raum war brechend voll, alles trank Bier und lauschte dem monotonen Wummern einer Band. Harleyfahrer waren natürlich Rebellen, einsame Wölfe, radikale Individualisten, und damit das auch gleich jeder sah, trugen sie alle die gleichen Jacken und Jeans, die gleichen Halstücher und Sonnenbrillen, die gleichen Gürtel mit den großen Messingschnallen, die gleichen Tätowierungen und wahrscheinlich sogar die gleiche Unterwäsche. (Boxershorts oder Slips? fragte sich Alicia. Erraten konnte sie es nicht, dazu war ihr gesellschaftlicher Instinkt zu wenig ausgeprägt.) Als sie weiterging, spürte sie – wie jedesmal, wenn sie den Elfenbeinturm der Universität verlassen hatte und überwiegend von Weißen umgeben war – einen winzigen Stachel des Unbehagens. Motorradbanden waren längst zum Karikaturistenklischee geworden, die meisten Biker bekamen allmählich graue Haare, die Stirnlocken wanderten immer weiter nach hinten, und die Bäuche wölbten sich immer weiter nach vorne, aber davon ließ sich das Stimmchen in ihrem Innern nicht beruhigen.
Launische Sommerwinde zausten die saftiggrünen Sträucher und scheuchten die Vögel auf. Ein Winzling stieß immer wieder auf ein Schälchen mit Wasser herab, das einer der Anwohner hinausgestellt hatte. Als die Straßenlampen angingen, wurden die Kolibris in ihrem aktinischen Schein zu unheimlichen Fabelwesen, zu