Cosmic Trigger (Band 2)
Generation verbrachte ich meine Jugend und frühen Erwachsenenjahre
ernsthaft verunsichert, ob ich am nächsten Tag noch leben würde, oder ob die
verrückten Bastarde in Washington und Moskau anfangen würden, mit Atombomben um
sich zu werfen und den Planet in die Luft zu sprengen.
In der Zwischenzeit las ich jeden
Roman, von dem ich Grund hatte anzunehmen, dass er “wichtig“ sei. Es gibt heute
so viele Schriftsteller, die nichts gelesen zu haben scheinen, dass
meine Einstellung gegenüber der Kunst der Literatur nun archaisch erscheint,
aber ich glaubte in meiner Jugend und meiner Unwissenheit, dass man, um gut zu schreiben,
wissen muss, was gutes Schreiben ist, indem man es studiert. Als ich mit 14
anfing, tauchte ich in James T. Farrell ein – da er über irische Katholiken und
Depressionen schrieb, Themen, die ich verstehen konnte – und machte dann mit
Sinclair Lewis weiter, der mich darin einführte, wie Leute im überwiegend
protestantischen republikanischen Amerika sprachen und dachten. Ich machte mit
Fitzgerald, Faulkner und Steinbeck weiter und vielen, die jetzt völlig
“unwichtig“ erscheinen, und entdeckte schließlich James Joyce, der mir so
erschütternd erschien, dass ich dem Studium seiner Arbeiten mittlerweile 41
Jahre gewidmet habe. (Ich begann mein Studium des Geschriebenen mit meinen
Zeitgenossen oder Beinahe-Zeitgenossen, da ich dachte, dass ich ihre Genauigkeit
und Relevanz besser beurteilen könnte als die von Leuten, die über andere und
frühere Zeitalter geschrieben hatten.)
Orson Welles‘ letzter amerikanischer
Film, der letzte, den Life so völlig zerriss, war eine gewalttätige und
barbarische Version von Macbeth – diesmal ohne schwarze Schauspieler,
aber mit der ganzen düsteren und beklemmenden Atmosphäre eines Horrorfilms von
James Whale. Ich liebte ihn, und er schaffte es, mich für Shakespeare zu
gewinnen. (Ich verbrachte einen ganzen Sommer damit, seine Stücke in
chronologischer Reihenfolge zu lesen und zu genießen.) Dann tauchte ich in die
anderen Dichter der englischen Sprache ein und schwamm bald in Keats und
Shelley und Blake und Whitman und schließlich Yeats und Eliot und Pound.
Das gefiel meinen Englischlehrern.
Dann entdeckte ich Science-Fiction und
fuhr unter anderem völlig auf Heinlein und Sturgeon und Olaf Stapledon ab.
Das gefiel meinen Englischlehrern
überhaupt nicht.
Ich denke, Pound beeinflusste mich
fast so sehr wie Joyce. Zusammen überzeugten sie mich, dass unser Jahrhundert
so viele radikale Veränderungen auf einmal durchmachte, dass die Techniken der
Literatur wie die der anderen Künste “experimentell“ werden mussten, um das
Ausmaß und die Größe der Zusammenbrüche und Durchbrüche, die wir erlebten,
einzufangen – Zusammenbrüche der alten Realitätstunnel, Durchbrüche zu neuen Wegen, unsere Wahrnehmung zu orchestrieren.
Was Joyce für die Prosa und Pound für
die Dichtung taten, brachte diese Künste meiner Meinung nach auf die gleiche Zeitebene
mit der Quantenphysik und den Filmen, die ich mochte. Sie hatten die lineare
Ordnung in leuchtende Fragmente aufgebrochen, die sie wie ein Design von Bucky
Fuller in synergetische Einheiten zusammensetzten. Sie zu lesen beinhaltete,
dass man aus der Subjekt-Prädikat-Ordnung herausging in die Gedankengänge, die
man in Differentialgleichungen oder in den Montagen von Regisseuren wie Welles,
Eisenstein und Kurasawa fand.
Um den Anfang von Pounds Canto 74 zu zitieren:
Die ungeheure Tragik des Traums im
krummen Rücken des Bauern,
Manes! Manes wurde geschunden und
ausgestopft.
Hier haben wir die uralte zyklische
Tragödie des patriarchalischen Sonnenkönigzeitalters, den gebeugten Rücken des
Bauern, den verlorenen Traum, und dagegen wird der eigene einzigartige Horror
gesetzt – die Hinrichtung von Manes, der lehrte, dass Christus und Mithra ein
und derselbe Gott nur mit zwei Namen sei, der gekreuzigt, geschunden,
ausgestopft und wie eine Vogelscheuche über der Mauer von Rom aufgehängt wurde
– was das Schicksal eines jeden Intellektuellen oder Visionärs sein könnte.
Diese Gegenüberstellung von konkreten Einzelheiten, wie eine Filmmontage oder
ein japanisches Haiku , stellt uns außerhalb des aristotelischen,
linearen Gedankengangs
Weitere Kostenlose Bücher