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Cosmic Trigger (Band 2)

Cosmic Trigger (Band 2)

Titel: Cosmic Trigger (Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Wilson
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genannt, die außerhalb Calvis
imaginärem Hauptbuch nicht aufzufinden waren.
     
     
     

Der Große, der das Gras grün macht
    Die Österreicher behaupten immer, dass
Beethoven Österreicher war, obwohl er in Deutschland geboren wurde, und dass
Hitler Deutscher war, obwohl er in Österreich geboren wurde.
    – Schweizer Witz
    Zwischen München und Berlin fuhr der
Zug durch die DDR – die Deutsche Demokratische Republik, dort, wo ich herkomme,
für gewöhnlich nur Ostdeutschland genannt. Es war das erste Mal, dass ich in
einer so offen totalitaristischen Nation war, und sobald wir die Grenze
überquerten und Marxwelt I betraten, war ich vorsichtig wie ein Hase im
Fuchsterritorium. Es war 1987 und ich war 55, schneeweiß auf dem Kopf, aber
gebräunt und (so sagte mir die Eitelkeit) ansonsten jünger aussehend.
    In München hatte ich ein Seminar über
Quantenpsychologie gehalten, und Tom, ein Fernsehproduzent, hatte mit mir einen
Ausflug zu einem der Schlösser von Ludwig II. – dem “verrückten“ König von
Bayern, der (wie Konspirationsverrückte behaupten) überhaupt nicht “verrückt“
war, sondern nur ein Pazifist, der den 1872er Krieg gegen Frankreich opponierte
und deshalb von einer Verschwörung der Adligen ermordet wurde. 30 Ludwig, ein großer Förderer der
Künste im Allgemeinen und Wagners mythischer Opern im Besonderen, erscheint in
der gnostischen katholischen Messe, die von den Eingeweihten des Ordo Templi
Orientis gefeiert wird, mysteriöserweise auch als einer der 114 “Heiligen“
des Gnostizismus. Ich wollte immer schon mehr über Ludwig den Verrückten
herausfinden.
    Das Schloss war im Großen und Ganzen,
“wie ich es erwartete“ (wie Oscar Wilde über die Niagarafälle sagte) – opulent,
großartig, ein bisschen albern, etwa so subtil wie ein angreifendes Rhinozeros,
merkwürdig schön: ein wahrer High-camp-Klassiker. Ob Ludwig verrückt war oder
nicht, er war offensichtlich kein Mann, der vor dem Ausdruck “zu viel des
Guten“ Angst gehabt hatte.
    Nun fuhren Tom und ich nach Berlin, wo
er ein weiterer Gig für mich organisiert hatte, und wir waren, wie üblich, wenn
wir zusammen waren, mehr als ein bisschen stoned. Als der Zug dann in die DDR
einfuhr, sprang ich schnell auf und schloss das Fenster. Das half nicht.
    “Was zur Hölle ist das für ein
Geruch?“, fragte ich.
    “Die DDR“, sagte Tom mit einem
Berliner Schulterzucken, als ob er sagen wollte: Ist das nicht offensichtlich?
    “Ja, ja, ich weiß, dass das die DDR
ist“, sagte ich. “Aber warum riecht es so?“
    Tom erklärte geduldig: Als die
Kommunisten übernahmen, wollte Stalin schnell industrialisieren (er hatte den
paranoiden Verdacht, dass die amerikanische herrschende Elite sich gegen ihn
verschwor), und der einzige Brennstoff für Fabriken war billigste Kohle. Sobald
die Fabriken gebaut waren, war es zu teuer, sie für etwas anderes umzubauen,
deshalb brannte jetzt, über 40 Jahre später, immer noch dieselbe verdammte
Kohle, und die ganze DDR roch schlimmer als ein Abwasserkanal im August.
    Starrköpfige Marxisten können die
Umwelt noch fürchterlicher verschmutzen als kapitalistische Unternehmen.
    Der Geruch zog durch das geschlossene
Fenster. Er war fast sauer in seiner Zersetzungskraft, und sogar nach Toms
Erklärung war es schwer, keine absichtliche Bosheit dahinter zu vermuten, als
ob jemand einen Tränengaskanister und eine Stinkbombe zur gleichen Zeit
geöffnet hätte. Wir entkamen dem nicht, bis wir nach Berlin kamen.
    Wir redeten eine Weile, und dann sagte
Tom mit einem sechsten Sinn, den er auf vielen Reisen durch die DDR entwickelt
hatte: “Hier sind sie.“
    Nach etwa einer Minute drückte die
Grenzpolizei oder Geheimpolizei, oder wer zum Teufel sie auch waren, die Tür
unseres Abteils auf und bellte und knurrte auf Deutsch. Wie Hotspur sagte: Ich
würde lieber Lady, meine Hündin, auf Irisch heulen hören. Ich konnte kein
einziges Wort verstehen und sah Tom fragend an.
    “Unsere Ausweise“, sagte er.
    Ich nahm meinen Ausweis raus und gab
ihn einem von ihnen. Es waren zwei, und sie sahen genauso aus wie die
Schauspieler, die in amerikanischen Filmen die Nazis spielen. Es gibt viele
Typen deutscher Gesichter, aber der Typ, der aussieht, als ob er nie aufhört,
sich einer exquisiten neuen Form ausgedehnten Sadismus zu erfreuen, ist der
Typ, den ich meine. Verbunden damit waren ihre Augen voller Misstrauen und
Vorwürfe. Ich habe nie eine derartige Brutalität gepaart mit dieser Art von
Paranoia in

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