Cosmopolitan zum Frühstück
schlecht?”
“Ich habe mich falsch ausgedrückt. Mit seinem Talent wird er es weit bringen, und bei seinem Selbstvertrauen schafft er sicher den Sprung an die Spitze. Beruflich kann da nichts schiefgehen. Aber privat?” Sie musterte ihre Hände. “Ich fürchte, er ist nicht ganz der Mann aus Stahl, für den er sich hält. Das könnte ihm eines Tages das Genick brechen.”
“Besonders zerbrechlich wirkt er auf mich nicht.”
“Das tun solche Typen nie. Ich male wahrscheinlich nur den Teufel an die Wand, aber er macht mich manchmal einfach wahnsinnig.”
Das
konnte Melanie nachvollziehen. “Ich weiß gar nichts über sein Privatleben”, meinte sie und fügte hastig hinzu: “Nicht, dass das eine Rolle spielt.” Insgeheim aber wurmte es sie gewaltig, dass sie so wenig über ihn in Erfahrung gebracht hatte. “Ich finde es nur eigenartig. Von den meisten Leuten erfährt man im Lauf eines Gesprächs wenigstens ein bisschen.”
“Nicht von meinem Bruder. Bei der Arbeit blendet er sein Privatleben komplett aus. Die Arbeit kann er kontrollieren bis ins letzte Detail. Was ihm gefällt, bleibt, was ihm nicht gefällt, wird rausgeschnitten.” Sie seufzte. “Ich versuche nicht mal mehr, aus ihm schlau zu werden.”
“Ein Buch mit sieben Siegeln”, murmelte Melanie, und ihre Gedanken überschlugen sich.
“Sollte er aber nicht sein, nicht für mich. Nicht bei unserer Kindheit. Wir waren echte Schlüsselkinder und mussten einander die Eltern ersetzen. Oft haben sie uns via Telefon ins Bett gebracht.” Sie schien immer tiefer im Sessel zu versinken. “Oh, entschuldige! Jetzt habe ich doch die alten Gespenster heraufbeschworen, mit denen ich dich eigentlich nicht langweilen wollte.”
“Kein Problem.” Melanie war eher fasziniert. Sie selbst war Abend für Abend von ihrer Mom und ihrer Granny ins Bett gebracht worden. Trotz dieser Sicherheit, die Jacob nie gekannt hatte, musste bei ihr alles seine feste Ordnung haben. Sie sträubte sich, die Kontrolle über ihr Leben aufzugeben. Sie hatte Angst, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, wenn sie ihre Gefühle und ihren Geldbeutel nicht im Griff hatte. Und so hatte sie sich in eine vertrocknete alte Jungfer verwandelt, für die niemand sich interessierte. Bis Jacob aufgetaucht war. Ihr wurde flau im Magen. “So platt das auch klingt, aber ihr hattet doch wenigstens einander.”
“Das stimmt in der Tat.” Einen Moment lang verklärte sich Renatas Blick, dann fing sie an zu lachen. “Erst haben wir uns gegenseitig angeschwärzt, und im nächsten Moment haben wir einander den Rücken gedeckt.”
Melanie versuchte, sich Jacob im Alter von sieben Jahren vorzustellen, mit aufgeschürften Knien und bandagierten Ellenbogen. “Ich habe zwar keine Geschwister, aber es klingt nicht anders als bei den meisten Kindern, die ich kannte.”
“Richtig. Nur haben wir uns damals geschworen, nie so karriereblind zu werden, dass wir vergessen, dass es im Leben noch anderes gibt als Erfolg.”
“Im Gegensatz zu euren Eltern.” Nun, das erklärte, warum er so tat, als sei ihm die Arbeit egal. “Was waren eure Eltern von Beruf?”
“Sie waren – sind Historiker. Meiner Meinung nach passen sie hervorragend zueinander. Sie lesen die Gedanken des anderen, beenden Sätze, die der andere angefangen hat, können stundenlang über historischen Dokumenten in den unterschiedlichsten Sprachen brüten, ohne ein Wort zu verlieren. Nur hätten sie sich eben keine Kinder anschaffen sollen.”
“Wie so viele andere Paare auch.”
“Sicher ist das kein Einzelfall. Man empfindet es nur so, wenn man selbst davon betroffen ist.”
Bestürzt und um Worte verlegen ließ Melanie den Bleistift über ihren Block tanzen. “Anscheinend seid ihr beide irgendwie damit fertig geworden. Ich weiß nur nicht, ob Jacob den klügsten Weg gewählt hat.”
“Wie das?”
Dass du aber auch nie die Klappe halten kannst! “
Er ist so ungeheuer talentiert, aber er benimmt sich, als wäre ihm das piepegal. Jedem, der darüber nachdenkt, muss doch klar werden, dass er in einem fürchterlichen Zwiespalt steckt.”
“Und du denkst darüber nach?”
Melanie musterte angelegentlich den gelben Block, der vor ihr lag. So geheim war ihre Beziehung also doch nicht. “Ist es so offensichtlich?”
“Nein, gut geraten.” Rennie lächelte zaghaft. “Mir ist aufgefallen, wie Jacob dich ansieht. Das hat mich auf die Idee gebracht, zwischen euch könnte was laufen.”
Melanie seufzte und gab sich einen Ruck.
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