Cottage mit Aussicht
das Papageien-Thema noch weiter unterstrichen. Insbesondere als Mrs. Gordon mit einem Teestövchen zurückkehrte und Anna klar wurde, dass auch ihre Gastgeberin ein Papagei war.
Max schenkte den Tee ein, sodass Mrs. Gordon frei war, um sich Anna zuzuwenden und ihr Verhör zu beginnen. Julian brauchte sie nicht zu verhören: Sein Familienstammbaum und seine berufliche Entwicklung waren ihr wohlbekannt.
»Womit beschäftigen Sie sich noch einmal beruflich?«, erkundigte sich Mrs. Gordon bei Anna. »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Ich frage mich, ob ich Sie in einem der Geschäfte oder sonst irgendwo schon einmal gesehen habe.« Offensichtlich vermutete Mrs. Gordon, dass Anna hinter der Kasse irgendeines Geschäfts saß, in dem sie sich vielleicht begegnet sein konnten.
»Ich bin Innenarchitektin«, antwortete Anna höflich.
Mrs. Gordon machte eine ärgerliche, abwehrende Handbewegung, als hätte Anna erklärt, irgendeiner geheimnisvollen und möglicherweise heidnischen Tätigkeit nachzugehen und zum Beispiel Schmetterlinge für einen Zirkus auszubilden. »Und das heißt?«
Anna schluckte und wünschte, Max würde sich mit ihrem Tee beeilen. Gleichzeitig suchte sie nach einer Möglichkeit, ihre Tätigkeit anders als mit den dürren Worten Inneneinrichtungen entwerfen‹ zu beschreiben. »Nun, zurzeit richte ich ein Haus zum Verkauf her, aber zu meiner Arbeit gehört es auch, Wohnungen so umzugestalten, dass Raum und Licht optimal genutzt werden. Dazu muss man auch ein wenig über Architektur wissen. Max war am College einer meiner Lehrer.«
»Gastdozent, Darling«, verbesserte er sie, während er ihr eine Tasse Tee reichte. »Man kann es sich nicht leisten, auf Vollzeitbasis zu unterrichten.«
»Oh«, sagte Mrs. Gordon, der plötzlich eine Erkenntnis dämmerte. »Wenn Sie ein Mann wären, wären Sie also Architekt geworden?«
Anna hatte noch nie darüber nachgedacht, welchen Beruf sie erwählt hätte, wäre sie ein Mann gewesen. »Ahm, vielleicht. Wahrscheinlich. Aber viele Männer sind Innenarchitekten, und natürlich gibt es viele weibliche Architekten.«
»Wirklich?« Beide Vorstellungen schienen für Mrs. Gordon entsetzlich zu sein. Wieder runzelte sie die Stirn und musterte Anna. »Wenn es wirklich das ist, was Sie beruflich machen, kann ich Sie unmöglich auf diese Weise kennengelernt haben.«
»Vielleicht sind Sie mir auf dem Markt begegnet? Wie ich sehe, haben Sie am Stand der Frauenvereinigung einen Kuchen gekauft.«
Gewaltiger Fauxpas! Mrs. Gordon sah aus wie die Fleisch gewordene Kränkung. »Alle Kuchen hier sind selbst gebacken!«, verkündete sie.
»Ja, aber ...« Anna brach ab, maßlos verblüfft, dass es einen Menschen gab, der bei solchen Kleinigkeiten log. Der Kuchen war so leicht zu erkennen, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. »Dann können wir uns auf dem Markt also auch nicht begegnet sein«, murmelte sie.
»Es ist ein kleines Dorf«, warf Max geschickt ein. »Ihr könntet einander überall begegnet sein.« Mit diesen Worten reichte er Julian seinen Tee. »Bist du vielleicht auf dieser Hauseinrichtungsmesse in Horsecombe House gewesen, Ma? Vielleicht habt ihr einander dort gesehen? Das liegt genau auf Annas Linie.«
Annas Gesicht nahm den gleichen Rotton an wie die Rosen auf den Tassen. »Oh, nein, dort war ich nicht«, behauptete sie hastig. Lügen mussten wohl ansteckend sein, dachte sie. Jetzt hat diese verflixte Frau mich dazu gebracht, ebenfalls die Unwahrheit zu sagen!
»Nun, es spielt keine Rolle«, bemerkte Mrs. Gordon, die offensichtlich keineswegs dieser Meinung war. Sie nahm eine Tasse Tee von Max entgegen und nippte nachdenklich daran. »Max geht normalerweise mit Models aus, müssen Sie wissen.«
»Oh?« Anna befingerte einen Strickjackenknopf. Dieser Nachmittag war ein noch schlimmeres Martyrium, als sie es sich je ausgemalt hatte.
»Mutter, wirklich, ich glaube nicht ...«
Sie sah ihren Sohn an und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist schön, dass er sich ausnahmsweise einmal ein gewöhnliches Mädchen ausgesucht hat.« Sie ließ keinen Zweifel daran, dass Max nur ganz kurz eine Zehe in die Suppe der Gewöhnlichkeit getaucht hatte und jeden Augenblick zu seinen Models zurückkehren würde.
Anna sah Max an und hoffte auf ein oder zwei Sätze der Unterstützung, bekam jedoch keinen einzigen, sondern nur ein Stirnrunzeln. Warum hat er mich seiner Mutter vorgestellt, wenn er wusste, dass sie mich hassen würde?, ging es ihr durch den Kopf. Sie fing Julians
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