Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
Wir beide wissen doch, dass die ganze Sache politisch begründet war. Die Venezianer haben auf der ganzen Welt Reliquien gestohlen. Sie waren Knochensammler im großen Stil, die nahmen, was sie bekommen konnten, und die alles zu ihrem Vorteil nutzten. Der Heilige Markus war vielleicht ihr gelungenster Diebstahl, denn bis zum heutigen Tag dreht sich in dieser Stadt alles um ihn.«
»Und warum wird das Grab jetzt geöffnet?«
»Bischöfe der koptischen und der äthiopischen Kirchen wollen eine Rückführung des Heiligen Markus bewirken. 1968 hat Ihr Papst Paul VI. versucht, den Patriarchen von Alexandria mit ein paar Reliquien versöhnlich zu stimmen. Aber diese Gaben kamen aus dem Vatikan, nicht aus Venedig, und sie haben nichts bewirkt. Sie wollen den Leichnam zurück und diskutieren schon lange mit Rom darüber.«
»Ich habe Clemens XV als päpstlicher Sekretär gedient und kenne diese Diskussion.«
Sie hatte schon lange vermutet, dass dieser Mann mehr war als ein einfacher Gesandter. Der neue Papst wählte seine Boten offensichtlich sehr sorgfältig aus. »Dann wissen Sie auch, dass die Kirche diesen Leichnam niemals zurückgeben würde. Aber der Patriarch hat sich in Venedig mit Roms Zustimmung auf einen Kompromiss geeinigt, den man als Teil der Versöhnungskampagne Ihres afrikanischen Papstes mit der Welt sehen kann. Ein Teil der Reliquie aus dem Grab soll zurückgeführt werden. Auf diese Weise sind beide Seiten zufrieden. Doch gerade für die Venezianer ist das eine schwierige Angelegenheit. Die letzte Ruhe ihres Heiligen wird gestört.« Sie schüttelte den Kopf. »Deswegen wird das Grab morgen Nacht heimlich geöffnet. Ein Teil der Gebeine wird herausgeholt und die Grabstätte dann wieder geschlossen. Niemand wird etwas davon erfahren, bis in ein paar Tagen die Nachricht über das Geschenk offiziell verbreitet wird.«
»Sie sind sehr gut informiert.«
»Das Thema interessiert mich. Denn der Leichnam in diesem Grab ist nicht der des Heiligen Markus.«
»Wessen Leichnam denn dann?«
»Lassen Sie uns einfach festhalten, dass die Mumie Alexanders des Großen im vierten Jahrhundert aus Alexandria verschwand, fast genau zur selben Zeit, als der Leichnam des Heiligen Markus wieder auftauchte. Markus wurde in einem Schrein beigesetzt, der Alexanders Soma sehr ähnelte und genauso verehrt wurde. Meine Gelehrten haben eine Vielzahl alter Schriften studiert, von deren Existenz die Welt noch nicht einmal etwas weiß …«
»Und Sie sind der Meinung, dass die sterblichen Überreste im Markusdom tatsächlich der Leichnam Alexanders des Großen sind?«
»Ich will nur darauf hinweisen, dass man heutzutage mit einer DNA-Analyse die Rasse bestimmen kann. Markus wurde in Libyen von arabischen Eltern geboren. Alexander war Grieche. Es muss feststellbare Chromosomenunterschiede geben. Außerdem gibt es die Isotopenanalyse der Zähne, die Tomografie und die Radiokarbondatierung, die uns jeweils eine Menge sagen könnten. Alexanders ist 323 v. Chr. gestorben. Markus im ersten Jahrhundert nach Christus. Auch hier muss es wissenschaftlich feststellbare Unterschiede geben.«
»Haben Sie vor, den Leichnam zu schänden?«
»Nicht mehr, als Sie es ohnehin schon vorhaben. Sagen Sie mir, wie die Gebeine geteilt werden sollen?«
Der Amerikaner dachte über ihre Worte nach. Sie hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass er mit deutlich mehr Befugnissen als beim letzten Mal nach Samarkand zurückgekehrt war. Jetzt wollte sie testen, ob sie richtig gelegen hatte. »Ich will nur ein paar Minuten allein an dem offenen Sarkophag verbringen dürfen. Sollte ich etwas entfernen, wird es keiner bemerken. Im Gegenzug darf die Kirche in der Föderation frei agieren und dann sehen, wie viele neue Christen sie für ihre Botschaft gewinnen kann. Der Bau von Gebäuden muss jedoch von unserer Regierung genehmigt werden. Das dient ebenso sehr Ihrem Schutz wie dem unseren. Wenn man den Bau von Kirchen nicht vorsichtig angeht, kann es leicht zu Ausschreitungen kommen.«
»Haben Sie vor, selbst nach Venedig zu reisen?«
Sie nickte. »Ich möchte nicht, dass die Medien Wind von meinem Besuch bekommen. Ihr Heiliger Vater soll das für mich arrangieren. Wie ich gehört habe, hat die Kirche gute Beziehungen zur italienischen Regierung.«
»Ihnen ist bewusst, dass Sie in diesem Grab allenfalls etwas finden können, das wie das Grabtuch von Turin oder eine Marienvision nur für Gläubige eine Bedeutung hat.«
Zovastina wusste jedoch, dass sie dort
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