Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn
Blase aus Elektrizität im Raum zerplatzte, die Luft zerriss wie ein Blitz, dem man gerade noch entkommen war.
Ich singe den Leib, den elektrischen , dachte Cotton und starrte Philippa Decker an wie einen Gast, der unpassenderweise zu früh erschienen war. War sie aber gar nicht. Es war völlig in Ordnung, dass sie da war, fand Cotton. Völlig in Ordnung.
Er röchelte etwas Unverständliches, als Decker das Küchenmesser aus der Reichweite des Toten trat und ihm überflüssigerweise, wie Cotton fand, den Puls fühlte. Aber sehr schön machte sie das. Völlig in Ordnung.
»Was haben Sie gesagt?« Decker war nun ganz nah vor seinem Gesicht. Wieder ihr Duft. Konnte man sich dran gewöhnen, wirklich.
Cotton spuckte Blut und versuchte es noch einmal mit Sprechen.
»Schön, dass Sie es doch noch einrichten konnten.«
*
Innerhalb kürzester Zeit hinterließ die Drahtschlinge eine schmerzende, rötlich geschwollene Wulst um seinen Hals. Er sah aus wie das Ergebnis einer frankensteinschen Kopfverpflanzung. Aber er lebte. Immerhin. Und er saß wieder im Konferenzraum des G-Teams, er war wieder im Spiel. Kein Grund, sich zu beschweren.
Natürlich hatte der Mann aus Cottons Apartment weder Papiere noch ein Handy bei sich gehabt. Dennoch kannte das G-Team bereits eine Stunde nach dem Überfall seine Identität. Sarah Hunter präsentierte die ersten Ergebnisse auf einem großen Bildschirm in Anwesenheit von Decker, Zeerookah und John D. High. Sie zeigten Bilder des Mannes aus unterschiedlichen Lebensphasen.
»Sein Name ist Evan Lethem, geboren 1978 in Denver. Wir konnten ihn anhand seiner Fingerabdrücke identifizieren. Lethem war 2002 Absolvent der Militärakademie West Point und hat danach …«
»2002?«, unterbrach Cotton sie. »Ganz sicher?«
Hunter blickte ihn genervt an. »Ja, Officer Cotton, ganz sicher.«
»Dann ist das nicht der Mann, der Special Agent Huang getötet hat.«
High wandte sich zu ihm um. »Mr Cotton?«
»Sir, ich finde …«
»Officer Cotton will damit sagen«, sprang Decker ein, »dass er angeblich einen West-Point-Militärring mit dem Motto von 1990 erkannt hat, als der Täter ihn niederschlug.«
High hob nur die Augenbrauen.
»Ja!« Cotton stöhnte gereizt. »Ich bin mir ganz sicher, Sir. Lethem ist genauso wenig unser Mann wie Dewey Meyer.«
»Fahren Sie bitte fort, Miss Hunter«, sagte High und würdigte Cotton keines Blickes mehr.
»Nach seinem Abschluss diente Lethem im 1. Bataillon des 30. Infanterieregiments der US-Army, nahm 2003 zunächst als Second Lieutenant, später als First Lieutenant an der Mission ›Iraqui Freedom‹ teil und leitete in dieser Zeit verschiedene Kampfeinsätze. 2005 schied er aus dem aktiven Dienst aus, kehrte in seine Heimatstadt Denver zurück und arbeitete als Berater bei einem privaten Sicherheitsdienst.«
»Er war ein Söldner!«, rief Cotton dazwischen. »Ein Auftragskiller. Aber Maggies Mörder ist er nicht.«
»Mr Cotton!«, rügte High ihn unerwartet scharf.
»Tut mir leid, Sir, kommt nicht mehr vor«, sagte Cotton zähneknirschend und ignorierte den tadelnden Blick Deckers, der ihn zu fragen schien, ob er noch alle Tassen im Schrank habe.
Und wenn schon. Mochte es eben Harakiri sein, seine restlichen Chancen auf eine Mitarbeit beim G-Team durch Zwischenrufe aufs Spiel zu setzen – Cotton war und blieb überzeugt, dass Lethem der falsche Mann war. Mürrisch lehnte er sich zurück.
»So weit, so gut«, fuhr Hunter zufrieden fort. »2007 jedoch muss irgendetwas in Lethems Leben passiert sein, denn von einem Tag auf den anderen kündigte er seinen gut bezahlten Job und tauchte unter.«
»Was heißt, er tauchte unter?«, unterbrach Cotton sie schon wieder und trug sich erneut einen genervten Blick von allen Anwesenden ein.
»Untergetaucht, Officer Cotton, heißt, der Mann verschwand von der Bildfläche. Keine Kreditkartenabrechnungen mehr, keine Mietverträge, keine Verkehrsstrafen, keine Ausreise aus den USA. Lethem hat seit 2007 keine digitalen Spuren mehr hinterlassen. Seine Angehörigen wussten auch nicht, wo er war. Erst im letzten Jahr taucht er plötzlich wieder im System auf, bei der routinemäßigen Überwachung einer Zelle ultranationaler Aktivisten.«
»Wo?«, fragte Decker.
»Hier in New York City. Die Adresse ist 27 West, 71. Straße.«
»Das ist Central Park West«, rief Decker verblüfft. »Meine Mutter wohnt da um die Ecke.«
Cotton hatte es immer geahnt.
» Wo wohnt Ihre Mutter?«, hakte er interessehalber dennoch
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