Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten

Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten

Titel: Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Gardemann
Vom Netzwerk:
Sie leben auch nicht mehr so isoliert wie früher. Trotzdem gibt es immer noch einige Familien, die in Heimarbeit den Touristenschmuck herstellen. Dass diese Tradition nicht gänzlich eingeschlafen ist, sondern sogar wieder neu belebt wurde, ist nicht zuletzt Dominick Tarbell zu verdanken.«
    Mortimer räusperte sich vernehmlich. »Nebenbei hat er durch sein Engagement meiner kleinen Firma wieder Aufträge verschafft. Früher war dieser Betrieb einer der wenigen, von dem die Mohawks das Material für den nachgemachten Indianerschmuck beziehen konnten. Mein Großvater hatte sich auf die Spritzgussformen für die Indianerperlen spezialisiert. Während der Hippiebewegung in den Sechzigern und später während der Esoterikwelle erlebte unsere kleine Firma einen großen Aufschwung. Indianerschmuck war unter den Hippies und den Esoterikern sehr angesagt. Nicht nur die Mohawk-Frauen stellten den Schmuck her, auch kleine Manufakturen in fast allen Bundesstaaten. Dass der Schmuck nicht echt war, hatte offenbar niemanden gestört. Mein Vater beschäftigte während dieser Hochkonjunktur insgesamt acht Mitarbeiter. Sie kamen mit der Produktion der Perlen kaum nach.«
    Mortimer seufzte. »Als ich den Laden dann schließlich übernahm, gingen die Aufträge von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr zurück, bis ich die Firma vor drei Jahren dichtmachen musste. Dank Tarbell konnte ich mit der Produktion nun wieder beginnen und habe sogar einen jungen Mann eingestellt. Aus Dankbarkeit habe ich Tarbell einige der alten Spritzgussformen überlassen, die mein Großvater verwendet hatte. Er war ganz scharf auf diese alten Dinger.«
    Von der Gesprächigkeit des alten Mannes leicht genervt, warf Decker ihrem Partner einen scheelen Seitenblick zu. Sie hatten die Brücke längst hinter sich gelassen. Cotton scherte vom Cross Bronx Expressway auf die Jerome Avenue ab. Von dort gelangten sie in das Geflecht aus Einbahnstraßen, zu denen auch die Plimpton Avenue gehörte.
    »Das alles ist hochinteressant, Mr Mortimer«, sagte Decker bemüht höflich. »Ich danke Ihnen für diese ausführlichen Informationen.«
    »Darf man fragen, warum sich das FBI für meine Kunstperlen interessiert?« In Mortimers Stimme schwang plötzlich Besorgnis. »Mit Dominick Tarbell wird doch wohl hoffentlich alles in Ordnung sein? Ich versuche schon den ganzen Tag, ihn zu sprechen, aber er ist weder über sein Handy noch zu Hause zu erreichen.«
    »Gibt es einen besonderen Grund, weshalb Sie Tarbell sprechen möchten?«, hakte Decker nach.
    »Er wollte mir heute mitteilen, wie viele Kartons Kunstperlen und Federn ich nächste Woche liefern soll«, erklärte Mortimer. »Seine Heimarbeiter werden neues Material benötigen, denn mit der Komplettierung der anstehenden Schmucklieferung nach Caughnawaga müssten sie jetzt eigentlich fertig sein.«
    »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen«, setzte Decker an. »Aber es wird von Tarbells Seite keine neuen Aufträge für Ihre Spritzgussfirma mehr geben. Er ist heute früh ums Leben gekommen.«
    »Wie bitte?« Mortimers Stimme überschlug sich förmlich. »Mein Gott, das ist ja entsetzlich! Was ist denn passiert?«
    »Wir ermitteln noch, was die Umstände des Todes angeht«, antwortete Decker ausweichend. »Ist Ihnen bei Tarbell in letzter Zeit irgendetwas Seltsames aufgefallen?«
    »Nicht dass ich wüsste. Ich habe ihn zuletzt vor drei Monaten gesehen. Seitdem verkehren wir nur telefonisch. Es … Es schien alles in bester Ordnung.«
    Decker bedankte sich bei ihrem Gesprächspartner noch einmal für die Auskünfte, verabschiedete sich und unterbrach die Verbindung.
    »Ein gesprächiger Zeitgenosse, dieser Mortimer«, bemerkte Cotton trocken und bog in die Plimpton Avenue ein.
    »Der Mann tut mir leid.« Decker verstaute das Smartphone in ihrer Jackentasche. »Tarbells Tod könnte das neuerliche Aus für seinen Betrieb bedeuten.«
*
    Bei den Häusern im vorderen Abschnitt der Plimpton Avenue handelte es sich um kleine schmucke Wohngebäude, die mit viel Liebe und Aufwand saniert worden waren. Die einzeln stehenden, einstöckigen Häuser hatten vergitterte Fenster im Erdgeschoss und weiß gestrichene Tore vor den schmalen, zwischen den Gebäuden hindurchführenden Einfahrten. Die Häuser wirkten wie kleine Bollwerke, die ihren Bewohnern in dieser Millionenstadt ein gewisses Maß an Privatsphäre und Sicherheit gewährten.
    Die mehrstöckigen Mietshäuser aus braunem Backstein, die sich etliche Yards die Straße hinunter wie

Weitere Kostenlose Bücher