Cotton Reloaded - Folge 3 - Unsichtbare Schatten
kleiner roter Leuchtturm erhob, kletterte Cotton über das Geländer auf den Uferfelsen. Decker tat es ihm gleich, sodass ihr Partner keine Gelegenheit bekam, die kameradschaftliche Geste zu wiederholen und ihr beim Klettern die Hand zu reichen.
Um den Leuchtturm herum und auch auf dem Weg hatte sich eine kleine Menschenmenge gebildet. Neugierig spähten die Leute zur Barkasse hinüber, die in der Nähe das steinigen Ufers ankerte.
Der Leichter, den die Barkasse in Schlepp genommen hatte, sah verwüstet aus. Die Reling und die Bordwände oberhalb der Wasserkante waren zerfetzt, der Bug mit Müll und Unrat bedeckt. Müllfetzen lagen auch auf der Barkasse verstreut. Der Unrat gehörte zur Fracht, die der Leichter geladen hatte.
Ein Patrouillenboot der City Police hatte auf der dem Ufer abgewandten Seite der Barkasse festgemacht. Mehrere uniformierte Cops hielten sich auf den Booten auf.
»Wie kommen wir da rüber?«, fragte Decker ein wenig ratlos und winkte, um die Kollegen auf der Barkasse auf sich aufmerksam zu machen. Doch die waren offenbar zu beschäftigt oder hielten die beiden Gestalten am Ufer für Schaulustige. Jedenfalls reagierten sie nicht, sondern machten unbeirrt mit ihrer Arbeit weiter.
In diesem Moment erspähte Cotton unter den uniformierten Cops einen untersetzten, bedrohlich aussehenden Mann in Zivil. Er hatte dunkles Haar, war mit Jeans und einer braunen Lederjacke bekleidet und trug die in einem Holster steckende Dienstpistole offen zur Schau.
»Da drüben ist Joe Brandenburg«, erklärte Cotton seiner Partnerin. Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen durchdringenden Pfiff aus.
Als der Detective des NYPD sich zum Ufer umdrehte, winkte Cotton ihm kurz zu.
Brandenburg erwiderte den Gruß mit knapper Geste, wandte sich dann an einen der uniformierten Kollegen und rief ihm etwas zu. Der Cop nickte bestätigend und kletterte dienstbeflissen zum Polizeiboot hinüber, wo er den Blicken der beiden Agents entschwand.
Wenig später kam hinter der Barkasse ein motorisiertes gelbes Schlauchboot hervor. Der Cop, der den Außenbordmotor bediente, steuerte das Gefährt zielstrebig auf die beiden Special Agents zu.
Cotton schenkte Decker ein entwaffnendes Lächeln. »Beziehungen sind alles. Ohne die werden Sie es in Ihrem Job nicht weit bringen.«
»Sehr witzig«, giftete Decker. »Sie sollten sich besser nichts darauf einbilden, dass Sie diesen zweifelhaften Joe Brandenburg so gut kennen. Es wird gemunkelt, er sei in kriminelle Geschäfte verstrickt, um sein Gehalt ein wenig aufzubessern.«
Cotton winkte ab. »Das sind nur Gerüchte«, sagte er, obwohl er es besser wusste. »Ich kenne Joe Brandenburg seit Jahren. Wie Sie wissen, war er mein Partner beim NYPD. Ich habe viel von ihm gelernt. Ohne Brandenburg hätte ich es niemals geschafft, ins G-Team zu kommen.«
Das G-Team. Offiziell existierte diese Spezialeinheit des FBI, für die Cotton seit Kurzem arbeitete, gar nicht. Deshalb hielten die allermeisten Cops, bis auf eine Handvoll enger Vertrauter, Cotton und Decker für normale FBI-Agents. Joe Brandenburg war einer der wenigen, die Bescheid wussten.
Unterdessen war das Schlauchboot nahe ans Ufer herangekommen. Der Cop grüßte und warf Cotton ein Seil zu, das dieser auffing, um den Bug des Bootes dann mit einem kräftigen Ruck auf den ausgewaschenen Fels zu ziehen.
»Ladys first«, sagte Cotton und deutete einladend in das Schlauchboot.
Decker stieg ein. Cotton sprang hinzu und stieß das Boot dann mit dem Fuß vom Ufer weg.
Auf dem Weg zurück zum Patrouillenboot hüpfte das von dem Außenbordmotor angetriebene Schlauchboot aufklatschend über die Wellen. Gischt spritzte zu den Seiten weg und wehte der Besatzung als feuchter Dunst ins Gesicht.
Decker rümpfte die Nase. Erst jetzt hatte sie den Müll bemerkt, der entlang des Ufers im Wasser trieb.
Der Cop, dem die Geste nicht entgangen war, weil er die attraktive Agentin ungeniert musterte, rief über den Lärm des Motors hinweg: »Der Müll stammt aus dem Leichter. Der war bis zum Rand mit Abfall aus einer Hafenanlage in Brooklyn gefüllt und nach Westchester unterwegs. Dann ist die Ladung plötzlich hochgegangen, nachdem dieser Selbstmörder, der sich von der George Washington Bridge gestürzt hat, mitten in den Unrat gekracht ist.«
Der Mann, ein sehniger Puerto Ricaner, schüttelte den Kopf. »Ich habe bei den Patrouillen auf dem Hudson River ja schon viel erlebt, aber dieser Vorfall toppt alles.«
»Konnte bereits
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